Pater Damian
Ein mutiges Wort zur Rechten Zeit
Eine Gruppe von älteren Schülern kam mit viel Lärm in die Straßenbahn. Einige hatten offene Bierflaschen in der Hand. Während sie sich angeheitert und sehr lautstark unterhielten, streckte einer von ihnen seine Beine aus und ließ seine Füße in verdreckten Schuhen auf dem gegenüberliegenden Sitz ruhen. Ein älterer Herr, der das beobachtet hatte - nein, nicht ich, ich hatte nicht genug Mut! - , ging zu ihm und wies ihn mit deutlichen Worten darauf hin, dass das eine Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Fahrgästen sei: Wer solle sich denn auf den verdreckten Sitz setzen!
Solche oder ähnliche Szenen haben wahrscheinlich schon viele von uns beobachten können. Das Eingreifen des älteren Mannes braucht man nicht als Heldenmut hinzustellen, denn so gefährlich war die Situation für ihn nicht. Aber es zeigt den Unterschied zwischen Kleinmut und Mut!
In der christlichen Tradition werden Mut und Zivilcourage mit der Kardinaltugend der Tapferkeit umschrieben. Tapferkeit galt ursprünglich als die Tugend des Soldaten. Sie bezeichnet die Unerschrockenheit im Bestehen von Gefahren. Sie ist aber eine Haltung, die jeder im Alltag braucht. Sie verlangt Opferbereitschaft, Durchsetzungskraft sowie den Willen zur Selbstbehauptung.
Wir wissen aus Erfahrung: Das Böse hat Macht in dieser Welt. Und Tapferkeit ist die Bereitschaft, um der Verwirklichung des Guten willen Verwundungen in Kauf zu nehmen. Es handelt sich nicht um überall und zu jeder Zeit ungerichtete aggressive Furchtlosigkeit. Tapferkeit, Mut und Zivilcourage gibt es nur da, wo Gerechtigkeit gewollt ist. Gerade im Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden, in der Konfliktlösung zeigt diese Tugend ihr wahres Gesicht.
Schon der alte Cicero hat gesagt: "Mut ist die Tugend, die für Gerechtigkeit eintritt", und Thomas von Aquin schreibt ähnlich: "Das Lob der Tapferkeit hängt von der Gerechtigkeit ab." Und Tapferkeit zeigt ihr schönstes Gesicht, wenn sie sich einsetzt für den Nächs-ten, für das Gemeinwohl. Es geht dabei in den meisten Fällen um geduldige Konfliktlösung mit der Bereitschaft zur Versöhnung. Hier sind nicht der starke Arm und die harte Faust gefordert, sondern die Macht des Wortes. Das alttestamentliche Buch Jesus Sirach (4,23-24) fordert uns auf: "Halte dein Wort nicht zurück, wenn es retten kann, und halte deine Weisheit nicht verborgen!" Oder, in einer freieren Übersetzung: "Wenn der Augenblick es erfordert, mach den Mund auf und rede!"
Pater Damian Meyer
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 04.03.2001