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Aus der Region

Kirche als Bündnispartner der Politik?

Diskussion

Berlin (rc/tdh) - Sie kommen beide aus einem katholischen Elternhaus und einer katholischen Gegend: Die eine vom Niederrhein, der andere aus dem Emsland. Doch während Christa Nickels heute für die Grünen im Bundestag ist, sitzt Hermann Kues auf den Bänken der CDU/CSU-Fraktion. Auch ihre Meinungen gingen in manchen Punkten weit auseinander, als es am 6. Juli in der Katholischen Akademie in Berlin um die Frage ging, ob die christlichen Kirchen ein Bündnispartner für die Politik sind. Immerhin, so Akademie-Geschäftsführer Georg Wichmann, gehören 68 Millionen Bundesbürger, das sind 84,5 Prozent der Bevölkerung, zu einer der beiden christlichen Großkirchen.

Für Kues war die Antwort auf die Frage des Themas klar: "Kirche und Politik sind natürliche Bündnispartner. Das christliche Menschenbild verbindet sie." Allerdings müsse das Verhältnis von Kirche und Staat immer wieder neu justiert werden, denn beide verändern sich. Aufgabe der Kirche sei es, die Verantwortung vor einer höheren Instanz, vor Gott, deutlich zu machen und christliche Positionen in die Politik einzubringen. Dazu gehöre das Eintreten für einen "anziehenden" Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach ebenso wie der Schutz des ungeborenen Lebens und die Stärkung der Familie. Im Prozeß der Globalisierung müsse die Kirche ethische Mindestnormen deutlich machen. "Die Kirche soll sich einmischen, ohne sich einbinden zu lassen", sagt der CDU-Politiker.

Auch das Gründungsmitglied der Grünen und die heutige kirchenpolitische Sprecherin ihrer Partei, Christa Nickels, ist für ein Bündnis mit den Kirchen. Für sie sei das sogar die "größte Herausforderung unserer Zeit". Allerdings vereine ihre Partei Men-schen ganz unterschiedlicher geistiger Herkunft, gibt sie zu bedenken. Nicht ganz so vollmundig klingt da zum Beispiel die zitierte Aussage der Grünensprecherin Gunda Röstel: "Wir setzen uns dafür ein, daß den Kirchen auch in Zukunft Möglichkeiten des gesellschaftlichen Wirkens eingeräumt werden."

Richtig deutlich wurden die Unterschiede, als es um den schulischen Religionsunterricht ging. Während CDU-Mann Kues für Religion als ordentliches Lehrfach eintritt und dabei auf das Grundgesetz verweist, plädiert Christa Nickels für einen "Werteunterricht", nicht aber für einen Religionsunterricht als Vermittlung von "bekennender Wahrheit".

Unterschiedlich ist auch die Haltung beider Parteien zur Kirchensteuer. Kues sagt, die Kirchensteuer müsse bleiben, um den Kirchen "Luft zum Atmen" zu geben, Nickels tritt dafür ein, mittelfristig den jetzigen staatlichen Kirchensteuereinzug zu ändern. Angedacht sei statt dessen eine Art "Mitgliedsbeitrag".

Einig sind sich die beiden Politiker in der Forderung nach einem ethisch-moralischen Grundkonsens in der Gesellschaft. Grundlage dafür könne die europäische Menschenrechtskonvention sein, meinte Christa Nickels. Dem kann sich auch der CDU-Mann anschließen, haben die Menschenrechte doch einen Ursprung im christlichen Bild vom Menschen.

Differenziert antworteten beide auf die Frage, welche Erwartungen sie als christliche Politiker an ihre Kirche haben. Das Engagement für die von der Gesellschaft Ausgegrenzten steht für Christa Nickels im Vordergrund. Lobend äußerte sie sich dabei über die Deutsche Bischofskonferenz. Und schob die Kritik am Papst gleich hinterher. Kues betonte die Brückenfunktion der Kirche zum schwierigen politischen Geschäft. Sie solle die Christen stärker ermutigen, in die Politik zu gehen, wünscht er sich und weist darauf hin, daß Kirche der Schwachen und Armen zu sein auch bedeute, sich über die Strukturen eines Sozialstaates Gedanken zu machen.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 29 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 19.07.1998

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