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Bistum Magdeburg

Keine Stellen für neue Religionslehrer in Sachsen-Anhalt

Warteschleife

Halle (dw) - Die ersten drei Lehrer in Sachsen-Anhalt haben auf regulärem Weg ihre Ausbildung für das Fach Katholische Religion abgeschlossen. Zwei Grundschullehrerinnen und ein Lehrer für die Sekundarstufe I bestanden am Ausbildungsseminar in Halle nach zweijährigem sogenannten Vorbereitungsdienst ihre Abschlußprüfungen.

Keiner der drei kann jedoch damit rechnen, im kommenden Schuljahr in diesem Bundesland Religionsunterricht zu geben. Nach Angaben des Magdeburger Kultusminsteriums werden zum Schuljahr 1998/99 nur zwei Lehrer für katholischen Unterricht eingestellt, darunter kein Grundschullehrer. Die Lehrer, die derzeit an Sachsen-Anhalts Schulen katholischen Religionsunterricht geben, haben sich durch Weiterbildungsmaßnahmen des Bistums dafür qualifiziert. Für hiesige Neulehrer gab es bisher keine Gelegenheit, sich im eigenen Bundesland im Fach Religion ausbilden zu lassen. Auch jetzt ist es noch nicht möglich, den vollständigen Ausbildungsweg hier zu durchlaufen. Studienplätze für das Fach Katholische Religion hat das Land Sachsen-Anhalt bisher noch nicht eingerichtet. Dieses Thema war lange Zeit Streitpunkt bei den Verhandlungen für einen Staatskirchenvertrag zwischen dem Land und dem Heiligen Stuhl, wurde aber schließlich ausgeklammert.

Die drei frischgebackenen Religionslehrer kommen aus den alten Bundesländern. Die beiden Frauen gaben während der Ausbildungszeit Unterricht an der Halleschen Martin-Luther-Schule. Renate Stich vergleicht ihren Einstieg mit einem Sprung ins kalte Wasser. Durch ihr Studium in Essen war sie auf die Situation im Osten kaum vorbereitet: Keines der Kinder, die sie hier unterrichtete, ist getauft. Auch die vorhandenen Religionsbücher seien nicht für Kinder geschrieben, die von Religion "völlig unbeleckt" sind. Die kulturellen Unterschiede fielen ihr schon bei Kleinigkeiten auf: Für sie war als Kind immer klar gewesen, zu Weihnachten kommt das Christkind. Ihre Schüler aber kannten nur den Weihnachtsmann. Die fehlenden religiösen Erfahrungen der Schüler erlebte Renate Stich gleichzeitig auch als Chance. Schließlich hatten die Kinder auch keine negativen Erfahrungen mit Religion gemacht. Als sie kürzlich in der vierten Klasse eine Unterrichtsreihe über die Bibel hielt, stieß sie bei den Kindern auf ein Interesse, das sie überraschte. Bei Gleichaltrigen im Ruhrgebiet hätte wohl bereits das Wort Bibel Gähnanfälle ausgelöst.

Der Religionsunterricht ist für die Grundschüler eine Gelegenheit, über sich selbst zu sprechen. Nur drei Kinder in Renate Stichs Religionsgruppe kommen aus intakten Elternhäusern. Für einige war es eine Befreiung, über ihre Erfahrungen reden zu können, als das Thema "Freundschaft und Streit " anstand. Anders als im Deutsch- oder Matheunterricht kommen nach der Religionsstunde fast immer einige Schüler zu Renate Stich, um zu erzählen. Einmal entflammte dabei auch eine Diskussion, ob es Gott gibt. Als der Großvater eines Jungen starb, berichtete er von seinem Wunsch, an der Beerdigung teilzunehmen. Dieser Wunsch war durch den Religionsunterricht geweckt worden.

Bei Miriam Mußwessels’ Schülergruppe der dritten Klasse sind persönliche Gespräche eher die Ausnahme. Die Martin-Luther-Schule liegt in einem sozialen Brennpunkt. Eine wesentliche Funktion des Religionsunterrichtes ist es hier, ein Miteinander zwischen den Schülern herzustellen, die aus zwei Klassen zusammengewürfelt sind und die Verhaltensweisen wie Rücksichtnahme oder Zuhören bisher kaum eingeübt haben.

Eine Herausforderung bedeutet es darüber hinaus, die Schüler bei der Stange halten. Da an der Grundschule weder Ethik noch evangelischer Religionsunterricht angeboten werden, ist die Teilnahme am katholischen Reliunterricht freiwillig. Die Klassenkameraden haben zur gleichen Zeit eine Freistunde. Renate Stich und Miriam Mußwessels haben versucht, den Unterricht möglichst abwechslungsreich zu gestalten, zum Beispiel durch Dritte-Welt-Projekte und Gruppenarbeit. Ihnen hat die Zeit in Halle trotz mancher Schwierigkeiten Spaß gemacht. Sie hätten sich gut vorstellen können, hier zu bleiben.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 29 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 19.07.1998

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