In drei Tagen 23 Dekrete erlassen
St. Marienstern
Das 750 Jahre alte Kloster St. Marienstern erlebt zur Zeit einen Ansturm, wie es ihn in seiner langen Geschichte so noch nie gegeben hat: Tag für Tag kommen Hunderte Besucher hierher, um die Erste Sächsische Landesausstellung zu besichtigen. Weitaus ruhiger ging es da vor 75 Jahren zu, als die Abtei 60 geistliche Herren in ihren Mauern beherbergte. Ende Juli 1923 trafen sich hier Priester aus ganz Sachsen und dem östlichen Thüringen zur ersten Diözesansynode des zwei Jahre zuvor wiedererrichteten Bistums Meißen.
Papst Benedikt XV. (1854/1914 - 1922) hatte das in der Reformationszeit untergegangene sächsische Bistum im Juni 1921 zu neuem Leben erweckt. Bautzen war Bischofssitz geworden und am 12. August 1921 hatte der Papst den Fuldaer Theologen Dr. Christian Schreiber (1872 - 1933) zum ersten nachreformatorischen Bischof von Meißen ernannt. Im April 1923 kündigte der Bischof die Einberufung einer Diözesansynode an - der ersten seit dem Jahr 1504. Die Synode sollte grundlegende seelsorgs- und verwaltungstechnische Fragen regeln. Sie sollte im Zisterzienserinnenkloster St. Marienstern abgehalten werden und am 24. Juli 1923 beginnen. Zur Vorbereitung der Tagung setzte Bischof Schreiber zehn Spezialkommissionen ein. Außerdem wurden die sechs regionalen Pfarrkonferenzen des Bistums beauftragt, über den Stoff der Synode zu beraten und dem Oberhirten Vorschläge zu schicken. Auf der Synode selbst sollte es keinerlei Diskussionen mehr geben. Das Kirchenvolk"; wurde grundsätzlich von jeder Mitwirkung ausgeschlossen. Schreiber verbot den Priestern, Aufträge von Laien, Deputierten, Unterschriftensammlungen und ähnliches"; anzunehmen. Die Diözesansynode wurde am 24. Juli 1923 mit einem Pontifikalamt eröffnet. In der sich anschließenden ersten Sitzung erhob der Bischof die Dresdner Hofkirche und die Leipziger St.-Trinitatis-Kirche zu Propsteikirchen und ernannte deren Pfarrer zu Pröpsten.
Am zweiten Beratungstag erließ die Synode unter anderem ein Dekret über die Einteilung des Bistums Meißen in Archipresbyterate (Erzpriestersprengel). Die Diözese wurde in Anlehnung an die mittelalterlichen Strukturen in 14 geistliche Amtsbezirke eingeteilt: in 12 Archipresbyterate und zwei dem Bischof unmittelbar unterstellte Städte (Meißen und Bautzen).
Am dritten und zugleich letzten Synodaltag erfolgte die kanonische Errichtung von Pfarreien und Benefizien. Ganz zum Schluß ließ Bischof Schreiber zwei Referate vorlesen, die scharfe Angriffe gegen die - angeblich kirchenfeindliche - sorbische Presse enthielt. Sogar das Kirchenblatt Katolski Posol"; wurde unter Beschuß genommen. Urheber dieser Attacken war der Sekretär der Synode, der Ordenspriester Joseph Watzl (1877 - 1936), der als engster Vertrauter des Bischofs galt. Nach der Synode protestierte der Bautzener Domdekan Jakob Skala (1851 - 1925) gegen die feindseligen Unterstellungen. Drei sorbische Pfarrer wandten sich sogar mit einem Schreiben an den Heiligen Stuhl in Rom.
Auch wenn die Diözesansynode mit einem Eklat endete, so hatte sie dennoch Großes geleistet. In 23 Dekreten waren wichtige pastorale und strukturelle Fragen geklärt worden. Das Bistum Meißen war damit gerüstet für die Stürme, denen es in den folgenden Jahrzehnten trotzen mußte.
Peter Bien
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 26.07.1998