Und was hast du gekriegt?
Kinderwallfahrten
Roßbach (ab) - Ist es selbstverständlich, daß ich zum Beispiel eine schöne Stimme habe oder sportlich bin? Wer denkt schon darüber nach, daß seine Talente Geschenke Gottes sein könnten? Um solche Fragen ging es bei den diesjährigen Kinderwallfahrten des Bistums Magdeburg in Bad Schmiedeberg, auf der Huysburg, in Salzwedel und in Roßbach.
Der Magdeburger Bischof Leo Nowak bezog sich in seiner Wallfahrts-Predigt auf das Matthäus-Evangelium, in dem das Gleichnis von den Talenten erzählt wird. Jugendliche des Wallfahrts-Teams hatten dieses Gleichnis zuvor pantomimisch dargestellt: Ein Mann ging auf Reisen und überließ seine Habe seinen drei Knechten. Er gab jedem unterschiedlich viele Talente. Nach seiner Rückkehr hatten zwei Knechte ihre Talente verdoppelt. Der dritte, der nur ein Talent bekam, hatte es vergraben und wurde dafür getadelt.
Der Bischof versuchte deutlich zumachen, daß man die Talente, die man hat, nutzen und pflegen sollte, statt sie zu vergraben wie der dritte Knecht. Talente seien Geschenke Gottes, die man einsetzen könne, um andere glücklich zu machen und so ein Stück die Welt zu verändern. Vilma Guilland, die langjährige Kirchenmusikerin der halleschen Pfarrei Dreieinigkeit, stellte er den 560 Kindern der Roßbacher Wallfahrt in diesem Sinne als positives Beispiel vor. Sie habe vielen Menschen Freude gemacht, weil sie ihr musikalisches Talent nicht versteckt habe. Leo Nowak dankte der Musikerin für zahlreiche Lieder und Liedsätze, die sie für Religiöse Kinderwochen und Kinderwallfahrten geschrieben hat. Er ermutigte Vilma Guilland, die vor wenigen Monaten pensioniert wurde, auch als Ruheständlerin weiter religiöse Lieder für Kinder zu schreiben.
Nach dem Gottesdienst wurde eine "Nachtischfesttafel" gedeckt: Einige Gemeinden hatten allerlei "eßbare Geschenke" mitgebracht, die dann geteilt wurden. Die Wallfahrtsgruppe aus Zeitz hatte zum Beispiel eine Zuckerwattemaschine mitgebracht, an der später großer Andrang herrschte.
Wie Amalia Christl, die Leiterin der Abteilung Kinderpastoral im Bistum Magdeburg erzählte, entstand die Idee für das Wallfahrts-Thema bei den Vorbereitungen für das Heilig-Geist-Jahr, das die katholische Kirche 1998 begeht. In der Kinderseelsorge komme der Heilige Geist meistens zu kurz. Kindern sollte bewußt werden, daß auch sie Geschenke vom Heiligen Geist empfangen. Sie sollten ermutigt werden, sich in der Kirche ihren Platz zu suchen, an dem sie ihre Talente nutzen können.
Der zehnjährige Johannes aus Halle versucht zum Beispiel, sich mit seinem Gesangstalent in der Kinderschola einzubringen. "Ich habe das Talent, andere zu trösten, wenn sie traurig sind", sagt die 15jährige Birgit aus Werderthau. Während des Zwischenprogramms hatten alle Gelegenheit, ihr Talent unter Beweis zu stellen: die Blumentöpfe, die die Kinder mit bunten Farben bemalten, kamen in der Abschlußandacht zum Einsatz.
Darsteller des Wallfahrts-Teams spielten den Kindern das Märchen "Geheimnis des Berges" vor. Dabei machten sie den Kindern noch einmal deutlich, daß Talente "Hege und Pflege" brauchen, und daß man auch versteckte Talente zutage fördern sollte.
In die frisch bemalten Blumentöpfe pflanzten die Kinder am Ende des Märchenstücks Blumenzwiebeln. Die kleinen Pflänzchen sollen sie noch lange an ihre Talente und an die Kinderwallfahrt 1998 erinnern.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 09.08.1998