Gräber in der Lagune
Bericht aus Papua-Neuguinea
Gera / Papua-Neuguinea - Ein weißer Sandstrand an der Küste Papua-Neuguineas, menschenleer liegt er da, idyllisch und unberührt - so scheint es, ein romantischer Anblick. Doch das Bild trügt: Hier starben Menschen. Es ist kaum vorstellbar, daß hier einmal Hütten standen. Durch ein Seebeben wurde hier eine Springflut ausgelöst, die bis zu 80 Meter hoch war.
Pfarrer Klaus Schreiter von der Geraer St.-Elisabeth-Gemeinde war zusammen mit Pfarrer Franz Pitzal aus Renningen Zeuge, als die Flutkatastrophe tausende Häuser vernichtete und zahlreiche Menschenleben forderte. Insgesamt waren 6000 Menschen betroffen, nur rund 2500 überlebten. Viele Opfer werden nie wieder gefunden werden, ihr Grab befindet sich im Sand und in der Lagune.
Klaus Schreiter und Franz Pitzal waren unterwegs, um die neuen Projekte des Kindermissionswerkes auf der Insel zu besuchen. Darunter Wasserbehälter zur Versorgung der Schulen. Im Katastrophengebiet wurden auch diese völlig zerstört. Pfarrer Schreiter erzählt: "Wir hatten einfach Glück und sicher einen guten Schutzengel". Die beiden Geistlichen sollten als Vertretung einen Gottesdienst auf der Insel Ali feiern, die von der Flut nicht betroffen war. Ein Felsen auf der Nachbarinsel Tumblo brach die Wassermassen. So hatten Klaus Schreiter und Franz Pitzal zunächst nur wenig von den Auswirkungen des Seebebens mitbekommen.
"Wir hatten kaum die Sachen abgestellt", so Klaus Schreiter, "da begann der Boden zu vibrieren, das Holzhaus verformte sich, aber schon nach zwei Minuten war alles vorbei." Zehn Minuten später wiederholte sich dieses Szenarium. Danach fand die Insel zu ihrem Alltag zurück. Erst am nächsten Morgen kam die Nachricht von der Sturmflut. Die Insel Ali mußte schnellstens evakuiert werden, da mit einem Nachbeben zu rechnen war.
"Die Menschen an der Küste hatten kaum eine Chance", führt Pfarrer Schreiter seinen Bericht fort, "denn als die Flut kam, war es schon dunkel und sie konnten nicht sehen, was auf sie zukam. Nur ein dumpfes Geräusch war zu hören, als ob sich ein Düsenjäger nähern würde". Es muß ein gigantischer Schlag gewesen sein, der alles vernichtete.
Von Aitape aus unternahmen Klaus Schreiter und Franz Pitzal in den folgenden Tagen Reisen ins Katastrophengebiet. Dort bot sich ihnen ein Bild des Schreckens. Von den Wasserbehältern für die Schulen ist nichts mehr zu sehen. Das einzige, was noch steht, sind die Kirche, die Missions- und die Krankenstation. Klaus Schreiter und Franz Pitzal halfen bei den Aufräumungsarbeiten und kamen mit den Überlebenden ins Gespräch. Unter anderem trafen sie eine Frau, deren Mann unter den Trümmern ihres Hauses begraben war. Er war tot. "Wir beteten mit dieser Frau und trösteten sie. Es war ein sehr tragisches Erlebnis", so Schreiter.
Versorgt wurden die Leute von den Sammelstellen aus, von welchen die Verletzten mit Hubschraubern in Krankenhäuser gebracht wurden, die allerdings völlig überfüllt waren. Die meiste Soforthilfe kam aus dem benachbarten Australien. Insgesamt verliefen die Rettungsarbeiten jedoch sehr schwierig, denn es gibt in Papua-Neuguinea kaum Straßen und im Busch nur Trampelpfade. Es war tragisch, die Leute zu sehen, die auf einmal alles verloren hatten, berichtet der Geraer Pfarrer. Familien wurden auseinandergerissen, die Überlebenden standen tagelang unter Schock. "Solche Katastrophen sind die Einheimischen zwar gewöhnt, sie haben öfter mit solchen Naturereignissen zu kämpfen, aber der Neuanfang ist sehr schwierig", fährt der Seelsorger fort. Es wird noch lange dauern, bis es wieder so etwas wie einen geregelten Alltag gibt. Und die Soforthilfe wird dann längst vergeben sein.
Für Klaus Schreiter und Franz Pitzal ist es wichtig, daß diesen Menschen geholfen wird, nicht nur unmittelbar nach dem Unglück sondern auch noch zwei oder drei Monate später. An ihren Pfarrgemeinden eröffneten sie Hilfskonten und Anfang Sep-tember soll eine Broschüre erscheinen, in der Fotos und Texte enthalten sind zu dem Land, seinen Leuten und zu dieser Flutkatastrophe. Der Erlös aus dem Verkauf soll dem Aufbau der zerstörten Region in Papua-Neuguinea zugutekommen. Beispielsweise wäre es mit nur 2000 Mark möglich, die dortige Schule aufzubauen. Man kann mit wenig Geld in Ländern wie Papua-Neuguinea viel erreichen, gibt Klaus Schreiter zu bedenken. Insgesamt sollen - auch unter Verwendung von Rücklagen - 80 000 bis 100 000 Mark aufgebracht werden. Das normale Leben in Papua-Neuguinea soll wieder möglich sein, die Wasserversorgung muß aufgebaut werden, sowie Schulen und Kindergärten. Doch dazu bedarf es zunächst der Unterstützung vieler Spender. Aus diesem Grund wandte sich Klaus Schreiter bereits an die Geraer Lokalpresse, die darüber berichtete.
Anett Blaschka
Kontakte und Info:
Katholische Pfarrgemeinde St. Elisabeth, Nicolaistraße 4 in 07545 Gera.
Die Spendenaktion der Gemeinde: Unter dem Stichwort "Seebebenkatastrophe", Konto-Nr. 1240200, Bankleitzahl 8003064568
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 16.08.1998