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Bistum Erfurt

Hoffnungszeichen in Volkenroda

Expo 2000

Vor zehn Jahren noch hîtte wohl kaum jemand den Weg nach Volkenroda, geschweige denn zu den Resten des Zisterzienserklosters erfragt. 1968 war in der Klosterkirche der letzte Gottesdienst gehalten worden. Seitdem schritt der Verfall zusehends voran. Das 180-Seelen-Dorf nahe der geschichtstrîchtigen nordthΠringischen Stadt MΠhlhausen schien von Gott und der Welt vergessen. Die sozialen Strukturen zerfielen. Zu DDR-Zeiten sollte das Dorf sogar "abgesiedelt", das heit aufgegeben und eingeebnet werden.
Nach der Wende schien sich die Hoffnungslosigkeit zunîchst zu verstîrken, bedingt durch den Wegfall zahlreicher Arbeitsplîtze. Es gab aber auch engagierte Dorfbewohner, die den Niedergang nicht als unabwendbares Schicksal hinnehmen wollten. In Volkenroda befindet sich die îlteste noch erhaltene Klosterkirche der Zisterzienser in Deutschland. 1131 hatten die Mñnche mit dem Bau begonnen, 1150 war die Kirche geweiht worden. Ort und Kloster gelangten rasch zur BlΠte, wurden zum Zentrum der Region mit zahlreichen Lîndereien. Am 27. April 1525 fielen sie den Bauernaufstînden um Thomas MΠntzer zum Opfer und erholten sich davon nicht mehr.
1989/90 ergriffen einige Volkenrodaer, besonders das Ehepaar Ulrike und Gerhard Kñhler, die Initiative und wandten sich an die Denkmalpflege, um nach Mñglichkeiten zu suchen, die Anlage zu erhalten. Aus dem Wunsch, die heruntergekommenen Kirchen- und Klosterreste zu sichern, entwickelte sich rasch der kΠhne Plan des Wiederaufbaus und der Neubelebung des Dorfes. Das ging jedoch nicht ohne Hilfen.
Nach vielen erfolglosen Versuchen, Partner zu finden, erwies sich der Kontakt zur Jesus-Bruderschaft als fruchtbar. Diese hatte in 25jîhriger Arbeit das Zisterzienserinnenkloster in Gnadenthal bei Limburg saniert und ist seit der Wende auch in Hennersdorf bei Chemnitz aktiv. Auerdem bestehen Kommunitîten der Jesus-Bruderschaft in Latrun (Israel) und in Makak (Kamerun).
Seit 1994 ist die Kommunitît Trîger des Wiederaufbaus des Klosters Volkenroda. Zu der ñkumenischen Glaubens- und Lebensgemeinschaft gehñren heute 30 Mitglieder, das sind sowohl Familien wie auch zñlibatîr lebende BrΠder und Schwestern, die sich der mñnchischen Regel "ora et labora", "bete und arbeite", verpflichtet fΠhlen. DarΠber hinaus gibt es ein umfassendes Konzept, das geistliche Leben eng mit einer regen wirtschaftlichen, sozialen, pîdagogischen und ñkologischen Tîtigkeit zu verbinden. "Wir sind keine Missionsgemeinschaft", sagt Gerd Sander von der Jesus-Bruderschaft, "aber wir wollen aus dem Glauben heraus das Leben gestalten, Neues wagen und etwas aufbauen, das nachhaltig wirkt."
In Volkenroda ist neues Leben eingekehrt, seit die Kommunitît hier lebt und arbeitet. Auffîlligstes îueres Zeichen ist der Aufbau des "modernen Klosters". Das Konventgebîude, eine lichte Glas-Stahl Konstruktion auf den alten Grundmauern, beherbergt die europîische Jugendbildungsstîtte, in die junge Leute aus ganz Deutschland zu den unterschiedlichsten Seminaren und Begegnungen kommen.
Auch die Klosterkirche ist saniert, so da in ihr lîngst wieder Gottesdienste gefeiert werden kñnnen. Sie ist ganz im traditionellen Stil der Zisterzienser gehalten, ergînzt mit modernen Mitteln und Materialien, schlicht und hell, von durchscheinender Architektur. Die architektonische Gestaltung des Klosters wurde 1995 von der "Europîischen Union" als "europîisches Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung" ausgezeichnet. NatΠrlich wîre all das nicht mñglich gewesen, meint Gerd Sander, ohne die UnterstΠtzung durch zahlreiche Stiftungen, Behñrden, Ministerien und private Spenden.
Die Besucher der Expo 2000 in Hannover werden sich, wenn sie den ñkumenischen Pavillon betreten, in einem glîsernen Kloster befinden, im Kloster Volkenroda, nachgebaut in einer Stahl-Glas-Steckverbindungstechnologie. Nicht nur die Kirche, auch der Freistaat ThΠringen hat das Projekt fΠr Hannover ausgewîhlt, weil es die Schwerpunkte des Expo-Themas "Mensch-Natur-Technik" beispielhaft miteinander verknΠpft.
Die Leitfragen fΠr die kirchliche Beteiligung an der Weltausstellung sind: Wie gestalten Christen den –bergang ins neue Jahrtausend? Was tragen sie dazu bei, da Menschen auf diesem Globus trotz aller Bedrohung leben kñnnen? Wie kann Kirche ihre ethische Verantwortung fΠr den Fortschritt wahrnehmen? Auf genau diese Fragen geht das Volkenroda-Konzept zurΠck mit dem Versuch, einen ganzheitlichen Lebensraum zu schaffen, der die existentiellen BedΠrfnisse nach Arbeit, Wohnraum, Bildung und menschlicher Begegnung befriedigt.
Inzwischen gibt es Hoffnungszeichen. Menschen finden Arbeit und Ausbildung in der Bio-Landwirtschaft oder bei einer der Handwerksfirmen. Bis zu 40 Stellen auf ABM-Basis kñnnen jîhrlich besetzt werden. Bis jetzt wurden 25 feste Arbeitsplîtze geschaffen. Groe Bedeutung kommt der 45-Hektar-Landwirtschaft und der Vermarktung der Produkte zu. Es gehe hier um die Zukunft des lîndlichen Raums als Lebens- und Arbeitsort, meint Gerd Sander. In Volkenroda soll es auch noch Arbeit geben, wenn die Bau- und Sanierungsmanahmen abgeschlossen sind. Vorerst jedoch ist daran nicht zu denken. Nach der Expo 2000 sollen im Stil des Konventgebîudes noch Kreuzgang und Langhaus errichtet werden.
Reinhild Rubin (epd)

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 33 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 16.08.1998

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