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Aus der Region

Im Interview

Stephan Laube, Mitarbeitervertretung im Ordinarat Görlitz

Stephan Laube, Mitarbeitervertretung des Ordinariats Görlitz
Viermal im Jahr führt die Mitarbeitervertretung des Ordinariates Gespräche mit ihrem Dienstgeber, dem Generalvikar. Was hat dieser Dialog bisher bewirkt?
1997 zum Beispiel ist durch Dienstvereinbarung im Ordinariat die Gleitzeit eingeführt worden. Die Mitarbeitervertretung ist aber nicht nur für Anstellungen, Eingruppierungen und andere arbeitsrechtliche Fragen zuständig, sondern auch für gemeinschaftsfördernde Veranstaltungen wie etwa Kegelabende, Fasching, Ausflüge. Darüber hinaus haben wir immer Wert darauf gelegt, dass die geistliche Komponente im Haus erhalten bleibt, denn in der katholischen Kirche ist es auch wichtig, dass die Mitarbeiter geistlich gefördert werden. Beispielsweise haben wir uns dafür eingesetzt, dass alle drei oder vier Jahre ein Einkehrtag angeboten wird. Voriges Jahr, im Heiligen Jahr, haben wir den Schwerpunkt darauf gelegt, dass einmal im Monat eine Messe in besonderer Meinung stattfindet. Sie ist von den Mitarbeitern gut angenommen worden. Wichtig ist einfach, dass der Gesprächsfaden zwischen Mitarbeitervertretung und Dienstgeber nicht abreißt. Bedingt durch die unterschiedlichen Interessen beider Seiten kommt es schon zu Spannungen. Das ist normal. Bei uns sind diese Spannungen nie in Schweigen übergegangen. Außerdem ist entscheidend, dass die Mitarbeiter mit ihren Anliegen und Problemen zur Mitarbeitervertretung kommen können, solche Dinge also im Betrieb loswerden können und nicht Unausgesprochenes von der Arbeit mit nach Hause nehmen.
Sie sprechen ganz unterschiedliche Aufgabenbereiche an. Kann die Mitarbeitervertretung, die ja ein Gremium von Ehrenamtlichen ist, überhaupt auf so vielen Gebieten kompetent sein?
Ganz einfach ist das nicht. Ein Ehrenamt soll ja Spaß machen, wenn ich mich für ein solches entschieden habe. Letztlich ist die Arbeit in der Mitarbeitervertretung aber doch mit viel Engagement und nicht nur mit Spaß verbunden. Wenn ich all diese Aufgaben sachgerecht erfüllen möchte, muss ich mich in verschiedene Richtungen weiterbilden. Ich kann an Schulungen teilnehmen, muss mich aber auch persönlich mit Arbeitsgesetzen befassen, um sie verstehen zu können. Beispielsweise muss ich wissen, was im Arbeitszeitgesetz und im Kündigungsschutzgesetz steht. Die Mitglieder der Mitarbeitervertretung müssen also auch Freizeit opfern und sich mit dem Anliegen der Kirche identifizieren können.
Eine Mitarbeitervertretung zu gründen, war erst nach der Wende möglich. Wie haben die politischen Ereignisse von 1989/90 die Arbeitsbedingungen im kirchlichen Bereich verändert?
Es wurde damals versucht, die kirchliche Verwaltung der DDR an die westliche Struktur anzupassen. Das war schwierig, denn es gab im Westen Fachbereiche, die wir in der DDR nicht kannten, zum Beispiel eigene Reiseabteilungen in den Ordinariaten, auch die arbeitsrechtliche Mitbestimmung in verschiedenen Bereichen. Es ist also bei uns vieles bürokratischer geworden, als es in der DDR war, teilweise dadurch bedingt, dass heute vieles schriftlich durchgeführt wird, was früher nur mündlich ging, gehen musste.
In der DDR hatten auch Kirchenmitarbeiter nicht die Möglichkeit mitzubestimmen. Wie gingen Sie mit der veränderten Situation um?
Ein demokratisches Gremium, wie es die Mitarbeitervertretung ist, war völlig neu für uns. Wir mussten deshalb oft nachfragen und Kontakt suchen zu westlichen Diözesen, in denen es schon Mitarbeitervertretungen gab. Auf diese Weise bemühten wir uns, so bald wie möglich Anschluss zu bekommen und zu erfahren, was dort positiv und was überdenkenswert ist. Vor allem die Mitarbeitervertretung im Ordinariat des Bistums Rottenburg-Stuttgart hat uns da in einer jahrelangen Partnerschaft sehr geholfen.
Hatte es die Mitarbeitervertretung im Ordinariat Görlitz zunächst schwer?
Ich denke, wir hatten es am Anfang einfacher als heutzutage.
Inwiefern?
Damals war man etwas offener in der Arbeit, weil man unbedarfter und mit mehr Leichtigkeit an die Sache herangegangen ist. Das hat das Ganze leichter oder zumindest erfreulicher gemacht. Ich denke einfach, es war die Unwissenheit darüber, wie man mit dem Gremium umgeht und was man für Möglichkeiten hat, die teilweise für beide Seiten von Vorteil war. Im Laufe der Jahre ist dann fachbezogener diskutiert worden. Durch die Konsequenzen, die sich in der heutigen Zeit aus arbeitsrechtlichen Angelegenheiten ergeben, ist es von juristischer Seite her schwieriger geworden, sich schnell zu äußern. Da ist eine gewisse Vorsicht eingetreten. Es ist heutzutage alles ein Balanceakt geworden. Diesen Sprung merkt man sehr. Die Entwicklung stellt aber in dem Sinne keine Verschlechterung dar, sondern eine Konkretisierung.
Nennen Sie doch ein Beispiel. Was läuft heute anders als vor zehn Jahren?
Bei Personalentscheidungen kommt manchmal die wirtschaftliche Komponente stärker zum Tragen als nach der Wende. Ausschlaggebend ist auch, ob es sich der Betrieb noch leisten kann, jemanden einzustellen. Das war auch vor zehn Jahren wichtig. Aber man versuchte damals darüber hinaus, engagierte Katholiken in den kirchlichen Dienst zu holen, weil ihr Engagement in Laiengremien der Kirche aufgefallen war. Heutzutage wird in der katholischen Kirche von neuen Mitarbeitern mehr Fachkompetenz erwartet als damals. Es genügt nicht mehr, sich in Schulungen weiterzubilden.
In ihrem Sozialwort fordert die Kirche familienfreundliche Arbeitszeiten und Chancengerechtigkeit für Frauen und Männer. Wie hält sie es als Dienstgeber selbst mit diesen Forderungen?
Ich denke schon, dass im Großen und Ganzen versucht wird, sich diese Anliegen bewusst zu machen. Es liegt aber in der Natur des Menschen, dass sich immer jemand zurückgesetzt oder erhöht fühlt. Es würde nicht menschlich zugehen, wenn es das nicht gäbe. Das wäre einfach Gleichmacherei. Über die Arbeitszeit finden im Ordinariat Absprachen statt. Auch Teilzeitarbeit ist bei uns möglich und wird auch vereinbart.
Zu welchen Mitteln kann die Mitarbeitervertretung bei einem Konflikt überhaupt greifen?
Die Mitarbeitervertretung hat das Recht, die vom Bischof berufene Schlichtungsstelle anzurufen, wenn sie der Meinung ist, dass Recht und Gesetz oder kirchliche Ordnungen verletzt worden sind. Das ist bei uns in den zehn Jahren aber erst einmal passiert.
Schauen wir auf das kommende Jahrzehnt: Womit werden sich die Verantwortlichen demnächst beschäftigen müssen?
Interessant werden könnte, welche Auswirkungen das neue Betriebsverfassungsgesetz im kirchlichen Bereich haben wird, ob zum Beispiel die Mitarbeitervertretungsordnung aufgrund der Veränderungen novelliert werden muss. Spannend wird in den nächsten Jahren möglicherweise auch die Wirkung der Europäisierung in die katholische Kirche in Deutschland hinein werden. Die Kirche hat ja nicht in allen europäischen Ländern eine so starke Stellung in der Gesellschaft wie in der Bundesrepublik.

Fragen: Karin Hammermaier

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 10 des 51. Jahrgangs (im Jahr 2001).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 11.03.2001

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