Ethische Katastrophe
Ostdeutsche Reaktionen auf das niederländische Eutanasiegesetz
Erfurt / Dresden / Magdeburg (kna / epd / tdh) - Das in den Niederlanden verabschiedete Euthanasiegesetz (siehe Seite 4) ist auch von Vertretern der katholischen Kirche im Osten Deutschlands scharf kritisiert worden. Der Erfurter Bischof Joachim Wanke hat das Gesetz als "ethische Katastrophe" bezeichnet. In seiner Osterpredigt äußerte er die Befürchtung, das Gesetz werde verheerende Auswirkungen auf das vertrauensvolle Zusammenleben von Menschen haben. Er sei "dankbar", dass es zumindest in Deutschland einen breiten gesellschaftlichen Konsens darüber gebe, dass nicht Euthanasiegesetze benötigt würden, "sondern eine gute Schmerztherapie".
Wörtlich betonte Wanke: "Wer richtig Ostern feiert, kann die Angst vor dem Tode besiegen." Der Tod sei für den gläubigen Christen "kein finsteres Loch", sondern ein "Tor zu einem neuen Leben".
Bischof Joachim Reinelt (Dresden) hat die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe in den Niederlanden als "antiösterliche Botschaft" scharf kritisiert. Es gehöre zu den tragischsten Entwicklungen des vergangenen Jahrhunderts, heißt es in einem "Wort zu Ostern". Anfang und Ende des menschlichen Lebens seien das "besondere Geheimnis" jeder Person und dürfe nicht einfach "zertreten" werden. Damit werde der Mensch zu einem Produkt der Gesellschaft herabgewürdigt.
Reinelt erinnerte an das Euthanasie-Gesetz im Dritten Reich, das das Töten ebenfalls legalisiert habe. Es dürfe nicht geschwiegen werden, wenn europäische Nachbarn den Blick für die Geschichte verloren haben, forderte er. Derzeit entstehe der Eindruck, dass überwunden geglaubte Ideologien des Nationalsozialismus oder des Sozialismus durch liberalistische Ideen ersetzt würden. Ein Parlament könne nicht über ein Recht auf Geburt und Tod entscheiden und damit den "Platz Gottes" einnehmen, betonte Reinelt weiter. Vielmehr müsse die Schmerz lindernde palliative Medizin optimiert und eine seelsorgerliche Begleitung unterstützt werden.
"Eine aktive Sterbehilfe ist aus religiöser, ethischer und in Deutschland - Gott sei dank - gesetzlicher Sicht eindeutig zu verurteilen", heißt es in einer Stellungnahme des Vorsitzenden des Caritasverbandes für das Bistum Magdeburg, Domkapitular Günther Brozek. Die Caritas lehne den in den Niederlanden eingeschlagenen Weg ab. "Älteren oder schwer kranken Menschen muss ein sinnerfülltes Altern und Sterben in Würde möglich sein." Brozek warnte vor einer "Institutionalisierung" des Sterbens: "Wir müssen uns davor hüten, Sterben perfekt zu organisieren oder Richtlinien für ein richtiges Sterben zu entwickeln." Die Frage, wie menschenwürdige Sterbehilfe organisiert werden könne, dürfe nicht im Vordergrund stehen. "Stattdessen sollten wir uns fragen: Wie ist im Rahmen einer menschenwürdigen Begleitung Hilfe für Sterbende möglich, dass sie zur Lebenshilfe und echter Begleitung wird, wie sie bereits in der Hospizbewegung und der Palliativmedizin praktiziert wird?" Menschenwürde im Umgang mit Schwerkranken und Sterbenden bedeutete, dem Menschen den "größtmöglichen Beistand, die notwendige Pflege und Behandlung" zu ermöglichen. Brozek wörtlich: "Das ist zwar teuer, aber das sollten uns unsere älteren und sterbenden Menschen wert sein!"
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Mittwoch, 18.04.2001