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Bistum Erfurt

Weihbischof Koch über eine Primiz in Tirol

Urlaubserinnerung

Im Urlaub in Südtirol als Gast in einem relativ kleinen Dorf eine Primiz feiern zu können, ist eine besondere Zugabe. Gleich als wir ankamen, hörten wir schon von dem bevorstehenden Ereignis. Im Pustertal, einem Nebental des Eisack, in der Nähe von Brixen, wird eine Primiz besonders begangen

In der Woche vor dem Festtag kamen viele Frauen und Jugendliche im Pfarrhof zusammen, um Girlanden zu winden und Ehrenpforten zu schmücken. Der Dekan war wie ein General mitten dazwischen. Im Flur des Pfarrhauses wurden beachtliche Mengen von Gladiolen gesammelt

Der Vorabend des Primiztages war dann bereits für uns etwas unerwartet Schönes. Der Primiziant - ein Neupriester aus dem Augustiner-Chorherrenstift Kloster Neustift, oberhalb von Brixen - wurde empfangen. Das kleine Dorf war mit vielen Leuten aus dem ganzen Pustertal völlig überfüllt. Nach Begrüßungsreden durch Dekan, Bürgermeister, Pfarrgemeinderat etc. bildete sich eine Prozession in die Kirche zu einer Andacht mit Primizsegen. Danach besuchte der Neupriester alle sechs zur Pfarrei gehörenden Filialkirchen, um auch dort den Primizsegen zu spenden

Dann wurde es spät am Abend langsam dunkel. Jetzt passierte etwas für uns Deutsche völlig Neues. Den ganzen Winter über hatten die Fami-lien an farbigen Transparentbildern gebastelt, mit denen nun die Fenster der Häuser --auch die Schaufenster der Geschäfte - ausgefüllt und von innen her beleuchtet wurden, und das im ganzen Dorf in allen Häusern. Es war eine Farbenpracht und eine Vielfalt an Bildern und Symbolen, wie ich es noch nicht erlebt habe

Als es dann ganz dunkel geworden war, kam der Höhepunkt. Auf den Almwiesen, die rund um das Dorf aufsteigen, haben die Einwohner der Höfe dort mit Fackeln Symbole zum Festtag gestellt, so daß sie aus dem Tale als leuchtendes Zeichen zu sehen waren. Das ganze Pustertal schien auf den Beinen zu sein, um dieses Lichterfest zu erleben

Für die Primizmesse am Sonntagmorgen war die Kirche natürlich viel zu klein. Der Gottesdienst wurde über Lautsprecher nach draußen übertragen. Anschließend war eine eucharistische Prozes-sion mit zwei Altären. Etwa 5000 Gläubige nahmen daran teil. Den Schluß bildete dann vor dem Dorfgemeinschaftshaus eine Bewirtung aller Gäste mit heimischem Gebäck, Wein und Most. Dazu spielte die Bürgerkapelle, die zuvor die Kirchenlieder begleitet hatte, noch mit Südtiroler Weisen auf

Es war ein Gemeindefest, an dem alle beteiligt waren. Der Primiziant, ein Arbeitersohn aus dem Dorf, war mit seinen Eltern und Geschwistern ganz unkompliziert mitten dazwischen. Weihbischof

Hans-Reinhard Koch

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 36 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 06.09.1998

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