Politiker an Taten messen
Wahlaufruf
Als Katholikenrat Magdeburg und Diözesantag Paderborn blicken wir auf gemeinsame Erfahrungen vor und nach der Wiedervereinigung Deutschlands zurück. Wir möchten deshalb durch diesen Wahlaufruf gemeinsam dazu ermuntern, Einfluß auf die Gestaltung der zukünftigen Politik in unserem Land und darüber hinaus zu nehmen
In Verantwortung vor Gott und den Menschen (vgl. Grundgesetz) sind wir Christen aufgerufen, entgegen aller aktuellen Resignation und Staatsverdrossenheit, für unser Gemeinwesen und die nachfolgenden Generationen von unserem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Dabei bitten wir die Wahlberechtigten, sich in der Zeit bis zur Wahl nicht von populistischen Formulierungen, Versprechungen und Programmen blenden zu lassen, sondern Parteien und Politiker/innen kritisch zu prüfen und an ihren bisherigen Taten zu messen. Geben Sie durch Ihre Teilnahme an der Wahl rechten und linken Extremisten keine Chance
In der gegenwärtigen Situation unseres Landes und bestärkt durch das Wort der Kirchen zur wirtschaftlichen und sozialen Lage, halten wir es für unerläßlich, in der Bundespolitik folgende Problemfelder besonders in den Blick zu nehmen und einer kritischen Prüfung zu unterziehen:
Arbeitslosigkeit: Die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit ist ein Skandal. Gerechte Verteilung von Bildung, Ausbildung und Erwerbsarbeit für alle, Abbau von Überstunden, die Schaffung von Möglichkeiten zur Teilzeitarbeit und die Erprobung neuer Arbeitszeitmodelle muß Ziel der Politik in der kommenden Zeit sein
Schutz der Familie und des Lebens: Werdendes Leben ist ausreichend zu schützen. Kinder dürfen kein Armutsrisiko sein. Wir erwarten unbedingt familienfreundliche Erwerbsarbeit durch flexible Arbeitszeitgestaltung und eine familiengerechte Steuerreform
Soziale Gerechtigkeit: Wir fordern soziale Gerechtigkeit, Schutz vor Armut sowie die Teilhabe aller am Reichtum der Gesellschaft
Solidarität in der "Einen Welt": Für uns Christen wählbare Kandidatinnen und Kandidaten sollten mit aller Kraft dafür Sorge tragen, daß die Menschen auf der ganzen Erde eine menschenwürdige Mindestversorgung erfahren, die sie möglichst durch eigene Arbeit verdienen können. Die öffentlichen Entwicklungsleistungen müssen auf 0,7% des Bruttosozialproduktes (gemäß der UN-Resolution von 1970) schrittweise erhöht werden
Bewahrung der Schöpfung: Noch viele nachfolgende Generationen sollen von den Ressourcen unserer Erde leben können
Wertorientierung in einer weltoffenen Gesellschaft: Unsere pluralistische Gesellschaft braucht den konstruktiven Beitrag eines christlichen Menschen- und Weltbildes und zugleich die Offenheit für Anregungen anderer Kulturen und Religionen. Die Fremden unter uns sind Herausforderung und Bereicherung; sie haben das gleiche Lebensrecht wie wir
Wir rufen nochmals alle Bürgerinnen und Bürger im Bereich unserer Bistümer auf: Nehmen Sie an der Bundestagswahl teil, denn: Wählen ist Gewissenspflicht!
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 06.09.1998