Verbände diskutieren mit Kandidaten
Politik
Erfurt (bip) - Vertreter der katholischen Verbände des Bistums Erfurt trafen sich am Freitag vor einer Woche zu einer Gesprächsrunde mit Thüringer Politikern der im Bundestag vertretenen Parteien CDU, SPD, FDP und Bündnis 90 / Die Grünen. Dazu hatte das Katholische Büro Erfurt in die Katholische Bildungsstätte St. Martin eingeladen
Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um nichteheliche und gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften stand die Frage nach dem Stellenwert der Familie im Mittelpunkt des Gesprächs. Familie müsse den Kindern so erfahrbar gemacht werden, daß sie selbst die Gründung einer Familie anstreben, lautete während des Gesprächs eine der Thesen des Katholischen Familienbundes. Die Parteien seien gefordert, mehr für den Schutz der Familie zu tun
Für seine Partei gebe es keine Alternative zu Ehe und Familie, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Manfred Grund aus Heiligenstadt. "Was in Familien an sozialem Handeln und gegenseitiger Solidarität erlebt wird, können Staat und Gesellschaft nicht schaffen. Deshalb müssen Ehe und Familie unter besonderem Schutz stehen", so Grund. Trotzdem respektiere die CDU auch andere Lebensformen, wolle sie aber nicht mit Ehe und Familie gleichstellen
Auch für die FDP steht die Familie als kleinste Gemeinschaft der Gesellschaft von der Wertigkeit her in der Priorität ganz oben, machte der Bundestagsabgeordnete Dr. Karl-Heinz Guttmacher deutlich. Neben der Ehe seien nichteheliche und gleichgeschlechtliche Gemeinschaften heute Bestandteil unserer Gesellschaft, und so stehe die FDP auch zu diesen Gemeinschaften, sagte der FDP-Politiker aus Jena
Für den Jenaer Sozialdezernenten Dr. Matthias Mieth von Bündnis 90 / Die Grünen befindet sich die Ehe als Institution zur Zeit in einer Krise. Entscheidend sei für ihn das Kindeswohl, weniger der besondere Schutz von Ehe und Familie gegenüber anderen Lebensgemeinschaften
"Welchen Weg schlägt Ihre Partei aus der Arbeitslosigkeit vor? Und wie begegnet Ihre Partei einer sich verstärkenden Jugendarbeitslosigkeit?" waren Fragen des Kolpingverbandes, der Katholischen Arbeitnehmerbewegung und des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend an die Bundestagskandidaten
Für Manfred Grund (CDU) ist die Zahl der wettbewerbsfähigen Arbeitsplätze nicht mehr steigerbar. Zehn Prozent der produzierenden Arbeitsplätze würden durch Rationalisierung bei steigender Produktion noch verloren gehen. "Wir müssen über Umverteilung der Arbeit nachdenken. Neue Arbeitsfelder müssen erschlossen werden.", forderte Grund. Auch für den Bundestagsabgeordneten Gerhard Neumann (SPD) aus Gotha ist klar, daß nicht mehr Arbeitsplätze im produzierenden Bereich geschaffen werden können. Die Arbeit müsse anders verteilt werden. In Bildung und Forschung könnten neue Arbeitsplätze entstehen. Dr. Guttmann (FDP) forderte, mehr in Bildung, Wissenschaft und Innovation zu investieren. Dadurch könnten neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Viele intellektuell anspruchsvolle Arbeitsplätze könnten heute nicht besetzt werden, weil es an Bewerbern mit der notwendigen Qualifikation fehle. An die Arbeitnehmer appellierte er, sich auf ein lebenslanges Lernen einzustellen. Abitur und Studium als "Ausbildung für das Leben" würden heute nicht mehr ausreichen. Kein Konsens konnte zur Bewertung von Familienarbeit im Vergleich zur Erwerbsarbeit erreicht werden. Hinsichtlich einer gesellschaftlichen Anerkennung der Familienarbeit sehen die katholischen Verbände die Parteien stärker in der Verantwortung
Der Leiter des Katholischen Büros, Ordinariatsrat Winfried Weinrich, äußerte sich zufrieden damit, daß die Gesprächsrunde noch vor der Bundestagswahl zustande gekommen ist. Berechtigte Anliegen der katholischen und christlichen Verbände hätten den Bundestagskandidaten so noch vor der Wahl deutlich gemacht werden können
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 13.09.1998