Schlafende Soldaten, die grausam wüten
Landminen
Berlin (rc) - Alle 20 Minuten explodiert in den Krisengebieten der Erde eine Landmine. Über 10 000 Menschen verlieren dabei pro Jahr ihr Leben, weitere 20 000 werden schwer verletzt und verstümmelt. Seit 1975 wurden über eine Million Menschen Opfer von Minen. Fast jedes dritte Opfer war ein Kind
Doch die "schlafenden Soldaten", wie sie verharmlosend genannt werden, bleiben auch im Frieden eine ständige, große Gefahr für die Zivilbevölkerung. Der Wiederaufbau vieler Länder wird durch sie behindert, Straßen sind unpassierbar, Felder nicht zu pflügen ohne Lebensgefahr. Und die Gefahr nimmt zu. Während 1997 weltweit 2 Millionen Landminen neu verlegt wurden, wurden nur 100 000 geräumt
Dennoch ist Dr. Rupert Neudeck vom "Komitee Cap Anamur" zuversichtlich. Immerhin kam durch den Druck von Friedens- und Menschenrechtsorganisationen in aller Welt im Dezember 1997 der Vertrag von Ottawa zustande. In ihm werden Anti-Personen-Minen verboten, aber nicht alle Landminen. Deshalb seien "Aufmerksamkeit und Wachsamkeit weiter gefragt", erklärte Neudeck am 3. September bei der Eröffnung einer Ausstellung zur Ächtung von Landminen in der Katholischen Akademie Berlin. Nachdrücklich wandte er sich gegen "Rattenfänger, die uns einen Unterschied einreden wollen zwischen teuflischen Minen und Minen, die wir zu unserer Verteidigung brauchen."
"Es gibt keine guten Minen, es gibt nur Minen, die lebenslang verstümmeln", rief Neudeck, der bei seiner humanitären Mission viele Minenopfer gesehen hat. "Die ganze Waffengattung muß weg", forderte er. Das solle eine neue internationale Konferenz, ein "Ottawa zwei", beschließen
Auch an die Politik im eigenen Lande stellt Neudeck Forderungen. So dürften Steuergelder nicht an Firmen zur Produktion von Minenentschärfungsgeräten gegeben werden, wenn diese auch Minen produzierten. Auch sei eine härtere Politik bei der deutschen Entwicklungshilfe nötig. Länder wie Angola, das für 1 Milliarden Mark Waffen gekauft habe, dürften keine Entwicklungshilfe bekommen
Die Fernsehmoderatorin Sabine Christiansen wies bei der Ausstellungseröffnung darauf hin, daß auch die Umwidmung von Geldern nötig sei. So könne es nicht sein, daß das Bundesverteidigungsministerium im Jahr 110 Millionen Mark für die Minenforschung ausgebe, aber nur 20 Millionen Mark für die Minenräumung
Eine echte weltweite Ächtung von Minen liege noch in weiter Ferne, zumal Länder wie die USA, Rußland und China dem Ottawa-Abkommen nicht beigetreten sind
Die Ausstellung, die von der Kampagne "Produzieren für das Leben - Rüstungsexporte stoppen" in Kooperation mit Pax Christi und Misereor Berlin zusammengestellt wurde, ist bis 22. September in der Katholischen Akademie, Hannoversche Str. 5, 10115 Berlin zu sehen, werktags von 9 bis 18 Uhr
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 13.09.1998