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Bistum Erfurt

Saalfelder Jugendliche halfen Schweizer Bergbauern

Caritas-Projekt erfolgreich

Saalfeld / Bielen (dt/tdh) - Eine Woche besonderer Art haben Ende August sechs Saalfelder Jugendliche in den Schweizer Alpen erlebt: Gemeinsam mit ihren beiden Begleitern arbeiteten sie täglich sechs Stunden bei einer Bergbauernfamilie, hatten dort in 1300 Metern Höhe freie Kost und Logis und konnten nebenher abwechslungsreiche Ferienstunden verbringen

Angeregt durch ein Projekt des Schweizer Caritasverbandes hatte der Leiter des Saalfelder Caritas-Freiwilligenzentrums, Dieter Tippelt, die Initiative ergriffen. "Aufgrund der brennenden Jugendprobleme in unserem Stadtgebiet kam mir der Gedanke, das Projekt der Schweizer aufzugreifen und mit unseren Anliegen zu verbinden", sagt Tippelt

Seit 1982 setzt sich die Caritas Schweiz für Bergbauernfamilien ein, die ihr Land unter sehr schwierigen Bedingungen bewirtschaften. Viele der Bauern leben am Rand des Existenzminimums. Durch die Bewirtschaftung der Almen kümmern sich die Familien zugleich um das ökologische Gleichgewicht in der Region und leisten so einen wichtigen Beitrag für die Allgemeinheit. Damit sie weiterhin in den Bergen wohnen bleiben und ihre Arbeit bewältigen können, unterstützt die Caritas die Bauern. Wenn beispielsweise Wohnhaus oder Stall renoviert werden müssen, organisiert die Caritas Freiwilligeneinsätze

Als Dieter Tippelt von dem Projekt erfuhr, hatte er folgende Idee. In Saalfeld gibt es eine Menge Jugendlicher, die unterschiedlichen Szenen in der Stadt angehören und die mit sich, untereinander, ihren Familien und Mitbürgern Probleme haben. Tippelt: "Die Jugendlichen sollten die Erfahrung machen, Leben ist nicht nur Leistung, Konsum und Spaß haben. Leben ist die Herausforderung, sich und andere kennenzulernen, Ängste abzubauen, eigene Grenzen, aber auch Fähigkeiten zu erkunden. Zugleich könnte eine solche Unternehmung Fronten zwischen den jungen Leuten abbauen und ein gutes Ferienangebot sein." Tippelt gelang es, die für die Jugendarbeit Verantwortlichen Saalfelds für die Idee zu gewinnen und so einen ersten Versuch starten zu können

Am 16. August machte sich die Gruppe von sechs Jugendlichen, einer Streetworkerin und Sozialarbeiter Tippelt mit einem Kleinbus auf den Weg. Tippelt: "Wir haben die Jugendlichen bewußt ausgewählt. Die 15- bis 20jährigen kommen aus verschiedenen Gruppierungen und familiären Situationen." Ziel war der Bergbauernhof von Sepp und Anita Mathis-Burkard und ihren beiden vier- und zweijährigen Kindern in Bielen. Das Gehöft in 1300 Metern Höhe ist nur durch eine Seilbahn, die Eigentum des Bauern ist, zu erreichen. Die Eheleute bewirtschaften ein Areal von 170 Hektar Gebirgsland. Technisches Hilfsmittel ist ein kleiner Traktor mit Ladefläche. Auf Grund der extremen Steillage kann beispielsweise Gras nur per Hand gemäht werden

"Auf dem Hof angekommen, zeigten sich die Jugendlichen überwältigt von der greifbar nahen Natur." Berge von 2500 bis 3600 Metern Höhe rahmen das Gehöft ein und gehören teilweise zum Grundstück der Bergbauernfamilie. Untergebracht wurde die Gruppe auf einem leeren Heuboden. Zu den Mahlzeiten versammelten sich alle bei der Bauernfamilie. Alle Mahlzeiten entstehen in eigener Herstellung. Tippelt: "Wenn es zum Beispiel frisches Brot gab, rochen wir es meistens schon vom Hofgelände her." Gearbeitet wurde von Montag bis Freitag täglich sechs Stunden. Die Gruppe bekam den Auftrag, damit zu beginnen, einen Weg in einen Steilhang zu graben. Tippelt: "Mich hat beeindruckt, daß die Jugendlichen gemeinsam mit uns diese schwere Arbeit ohne ständige Aufforderungen unsererseits verrichteten. Sie hatten erkannt, daß unsere Hilfe für die Familie wirklich wichtig war. Jugendliche, von denen man meinen konnte, daß sie nie etwas zum Nulltarif tun würden, arbeiteten hier unter schwersten Bedingungen, selbst bei Regen. Die Atmosphäre stimmte einfach." So wurden immerhin 25 Meter Weg in die Natur gebahnt

Jeden Morgen wurde mit dem Bauern der Tagesablauf abgesprochen. Dadurch war es möglich, an manchem Tag die Arbeitszeit zu verlagern, um günstigere Zeiten für gemeinsame Freizeitunternehmungen zu bekommen. So wurde zum Beispiel eine Wanderung auf einen 2500 hohen Berg in der Umgebung möglich, an die sich die Jugendlichen bei der Nachbesprechung begeistert erinnerten. Eine Nacht verbrachte die Gruppe in ihren Schlafsäcken auf einer Alm im Freien. Tippelt: "Manche Gespräche dieser Nacht gaben mir einen tiefen Einblick in die Situation der Jugendlichen. Ich konnte mir im Nachhinein manche Reaktion der einzelnen jungen Leute erklären."

Tippelt ist mit dem Verlauf der Fahrt sehr zufrieden. "Die Bergbauernfamilie brachte uns viel Verständnis entgegen, ohne dabei ihre Anliegen aus dem Blick zu verlieren. Und für die Jugendlichen war es eine wichtige Zeit", so der Sozialarbeiter. "Allein der Umgebungswechsel in eine landschaftlich beeindruckende Welt hatte seinen Wert. Dazu das Erlebnis, daß es Menschen gibt, die mit einem Minimum an Komfort auskommen müssen und trotz schwerster Arbeit zufrieden sind. Außerdem machten die Jugendlichen die Erfahrung, daß ihre unentgeltliche Hilfe nötig war und ihr freiwilliges Engagement nicht ausgenutzt wurde. Nebenher wurde ihnen wohl auch deutlich, daß Mitstreiter zwar andere Lebensideen vertreten können, man aber dennoch mit ihnen gut auszukommen kann". Tippelt: "Also unschätzbare pädagogische Erfahrungen!"

Für den Sozialarbeiter steht fest: Dieser Einsatz von Saalfelder Jugendlichen in den Schweizer Alpen wird nicht der letzte gewesen sein

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 38 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 20.09.1998

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