Gottesdienst schafft Gemeinde
Beobachtungen in einer Gemeinde
Engelsdorf (ms / tdh) - Fröhliches Lachen schallt auf die Hauptstraße 20 am Sonntag um 10.30 Uhr. Der Gottesdienst ist aus, ein Teil der 13 Erstkommunionkinder hockt beieinander. Pfarrer Hans-Jürgen Dokup freut sich, denn es ist nicht selbstverständlich, daß aus einer Pfarrei so viele Kinder zum Gottesdienst kommen. "Ziel sollte es sein, nicht nur wegen der ersten heiligen Kommunion die Kinder in den Gottesdienst zu schicken, sondern ihnen ein Stück zu Hause im Haus Gottes zu geben." Die Verantwortung dafür tragen die Eltern, und wie schwer und unwegsam dieser Weg oft ist, weiß der Pfarrer genau
Eine Alternative zum Gottesdienst in Engelsdorf bietet die Pfarrei jeden Sonntag in der Nachbargemeinde Borsdorf. Hier können die, die sonst zwölf Kilometer fahren müssen, in der evangelischen Kirche dem Wort Gottes lauschen. Die dortige Pfarrerin Elisabeth-Veronika Förster-Blume sieht keine Barrieren durch die verschiedenen Konfessionen: "Es ist ein Haus Gottes", sagt sie schlicht
In der Nachbargemeinde Panitzsch kommt sogar ein kirchengeschichtlicher Gedanke hinzu: "Auch wenn unsere Kirche nach der Reformation evangelisch-lutherisch ist, so sind die Grundfeste doch woanders zu suchen. Es geht darum, das Wort Gottes zu hören - egal wo," weiß der dortige Pfarrer Freier, der seine Kirche den 87 Katholiken aus Panitzsch, die zu Engelsdorf gehören, zur Verfügung stellen würde, wenn Bedarf wäre
In Gerichshain, noch ein Stück weiter Richtung Osten, ist das schon Tradition. Seit 1945 kommt der katholische Pfarrer einmal im Monat am Sonntag- nachmittag. Petra Salwender mit ihrer Familie nimmt diesen Gottesdienst gerne an, fährt aber auch regelmäßig nach Engelsdorf. "Unsere Anna ist in der Schule in ihrer Klasse die einzige Katholikin. Wenn wir zur heiligen Messe fahren, sieht sie, sie ist nicht alleine. Freunde zu sehen, mit denen man über Gott und Jesus sprechen kann, ohne ein ,Wer ist das denn?' zu hören, stärken sie. Der Kirchgang ist für uns erlebte Glaubenslehre"
Bei nur drei Prozent Katholiken in Leipzig ist die Suche nach Gemeinsamkeiten oft ein Anliegen der Gottesdienste. Doch eine Mutti aus Paunsdorf, Bernadette Frischmann, sieht Gemeinsamkeit auch als Problem: "Mein Mann ist Atheist. Wir sind als Familie nur am Wochenende zusammen, beruflich geht es nicht anders. Wenn ich dann diese Gemeinsamkeit wegen des Gottesdienstes verlassen muß, denke ich oft, es ist schwer Christ zu sein. Ich möchte Gemeinsamkeit, Werte und christliche Ziele unserer Viktoria vermitteln. Doch Unfrieden durch fehlende Zeit in der Familie prägen ein Kind noch stärker, als die friedvollen Worte in der Messe, die eine Achtjährige oft gar nicht versteht." Doch sie sucht Kompromisse, und nimmt den Vorabendgottesdienst in Anspruch
Für Simone Koschuchar ist gerade das Gespräch mit ihren Kindern nach dem Gottesdienst wichtig: "Die Fragen, die meine Söhne mir stellen, zeigen mir, daß sie sich die Worte und Handlungen des Gottesdienstes zu Herzen nehmen. Sie sollen heute schon Geborgenheit und Vertrautheit erfahren, die ihnen später Halt und Kraft geben. Je mehr ich über etwas weiß, um so vertrauter, bekannter wird es mir, ich gewinne es lieb, so ist es auch mit dem Kirchgang."
Pfarrer Hans-Jürgen Dokup weiß, das der regelmäßige Kirchgang für die Kinder wichtig ist, um Rituale zu schaffen, doch etwas anderes ist ihm noch wichtiger: "Kinder sollen Ähnlichkeiten zwischen sich und Jesus entdecken. Sie sollen gerne bei Menschen und für Menschen da sein, da ist der Gottesdienst die Basis. Sie hören Gottes Wort und können es anschließend in der Gemeinschaft direkt umsetzen." Und das fröhliche Lachen in Gemeinschaft nach dem Gottesdienst zeugt davon
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 11.10.1998