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Hofkirchenjubiläum

Neue Glocke für die Dresdner Hofkirche gegossen

In Gottes Namen, wir gießen Lauchhammer - 1160 Grad herrschen im Schmelzofen. Nun muss das flüssige Kupfer auf 1100 Grad abkühlen, dann kann es losgehen. Dompfarrer Klemens Ullmann beginnt mit der Liturgie zum Glockenguss. Um ihn herum in der Gießereihalle stehen etwa 40 Mitglieder der Dresdner Kathedral-Gemeinde, die mitgefahren sind in die Kunstgießerei im brandenburgischen Lauchhammer. Es ist ihre Glocke, deren Guss sie miterleben wollen.
Pfarrer Ullmann zitiert die Aufschrift, die die Glocke zieren wird: "Künde dem Land Glaube, Hoffnung, Liebe". "Möge diese Botschaft", sagt er, "über Jahre und Jahrhunderte ins Land hinaus gehen, als Einladung und Mahnung." Die Gemeindeglieder sprechen die Fürbitte, das Vaterunser. Pfarrer Klemens Ullmann sprengt Weihwasser in Richtung jener Stelle, wo die Glockenform aus Lehm unsichtbar im Betonboden versenkt ist.

Dort endet die Gießrinne aus Schamottestein, die vom oberen Rand des Schmelzofens herabführt. Günter Bierfreund, der Schmelzer, hat sich über den schwarzen Arbeitsanzug eine Lederschürze gebunden. Auch die Vorderseiten seiner Stiefel sind zusätzlich mit Leder geschützt. Auf dem Kopf trägt er einen gelben Helm mit Plexiglasschild. Er öffnet den Deckel des Ofens und schiebt den ersten der sieben Zinnbarren hinein. Das Mischungsverhältnis muss genau stimmen, erläutert Gerhard Wiesner, der Technische Leiter. 78 Prozent Kupfer, 22 Prozent Zinn. Erst dann wird die Bronze richtig. Dafür braucht man Erfahrung. Die haben die 22 Mitarbeiter der Kunstgießerei - der einzigen in Ostdeutschland, die noch Glocken gießt.
Ihre Tradition reicht zurück bis ins Jahr 1725. Mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939 war vorerst Schluss mit dem Glockengießen. Erst 1994 wurde wieder damit begonnen. Heute werden hier vorallem Bronzeplastiken, eiserne Tische, Stühle und Bänke, Gedenktafeln und historische Tür- und Fensterbeschläge hergestellt. Von Glocken allein könnte der Betrieb nicht überleben, erzählt Geschäftsführer Ulrich Kühne. Auch wenn es heute immerhin die zweihundertste Glocke ist, die hier entsteht.

Gerhard Wiesner bittet alle Gäste um Ruhe. Immer wieder rückt er seinen rechten Lederhandschuh auf der Hand zurecht. Mit gedämpfter Stimme gibt er seinen vier Gießern knappe Anweisungen. Ihre Gesichter verraten höchste Konzentration. Eine Traube von Journalisten wartet, Fernsehkameras und Fotoapparate im Anschlag. Langsam neigt sich der Schmelzofen nach vorn. Es ist zehn Minuten vor eins, als Gerhard Wiesner ruft: "In Gottes Namen - wir gießen". Ein rot glühender Strahl schießt die Rinne herab, 1250 Kilo flüssige Bronze verschwinden in einem etwa vier Zentimeter großen Loch in der Tiefe.

Aus zwei Öffnungen, den so genannten Windpfeifen, fauchen spitze Flammen. Nach drei Minuten ist alles vorbei. Die Zuschauer spenden Applaus. Wiesner hat den Vorgang mit sichtlicher Befriedigung beobachtet. "Ein sehr ruhiger Guss. Die gleichmäßigen Flammen haben das gezeigt. Ein Zeichen, dass die Glocke gut wird." Nun muss sie bis Dienstag auskühlen. Am Mittwoch soll die Lehmform entfernt und die 1,20 Meter hohe und 29 000 Mark teure Glocke, die der Freistaat finanziert, aus der Grube gehoben werden. Dann wird geprüft, ob ihr Ton auch dem vorgesehenen eingestrichenen "f" entspricht.

Am 25. März 2001, nach der Abendmesse soll Bischof Joachim Reinelt die Glocke in der Kathedrale weihen. Damit wird die Kirche im Jahr ihres 250. Weihejubiläums wieder ein vollständiges Geläut haben. Erstmals erklingen soll es in der Osternacht.

Tomas Gärtner

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 11 des 51. Jahrgangs (im Jahr 2001).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 18.03.2001

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