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Aus der Region

Seit 50 Jahren geschulte Frauen für die Seelsorge

Magdeburger Seelsorgehelferinnenseminar

Die Schülerinnen froren und hatten Hunger, sie wurden täglich beim Kartoffelschälen oder Mohrrübenputzen eingepannt, Ausgang gab es nur mittwochs nachmittags und samstags. Wenn Johanna Dombrowitz die Anfangsjahre des Magdeburger Seelsorgehelferinnenseminars schildert, klingt das trotzdem alles andere als trostlos. Die Erinnerung an fröhliche Gemeinschaft und Aufbruchstimmung spricht aus ihren Erzählungen. Sie gehörte zum ersten Kurs der Magdeburger Ausbildungsstätte, die unter der neuen Bezeichnung Seminar für Gemeindepastoral"; vom 20. bis 24. Oktober ihr 50jähriges Bestehen feiert. Ihr Gemeindepfarrer in Loburg hatte Johanna Dombrowitz auf die bevorstehende Eröffnung des Seelsorgehelferinnenseminars aufmerksam gemacht. Wäre das nichts für dich?"; hatte er gefragt. Die junge Frau war 32 Jahre alt, hatte bereits in unterschiedlichen Berufen Erfahrungen gesammelt und arbeitete seit einigen Jahren in der Praxis eines Arztes. Die Arbeit machte ihr Freude. Trotzdem schien ihr der Vorschlag des Pfarrers reizvoll. In dem neuen Beruf glaubte sie noch intensiver für andere Menschen leben zu können

Sie war die Älteste der 13 jungen Frauen, die kurze Zeit darauf in der Magdeburger Oststraße 18 einzogen. Die meisten waren von ihrem Pfarrer auf die neue Möglichkeit zum Dienst in der Kirche aufmerksam gemacht worden. Die zwei Jahre im Seminar waren eine weit gespannte Vorbereitung auf das Berufsleben. Die Erinnerung an die damaligen Lehrer, an Professor Ottfried Müller zum Beispiel oder an den späteren Erfurter Bischof Hugo Aufderbeck, ist für die ehemalige Seminaristin noch sehr lebendig. Aufderbeck zeichnete im Unterricht gern und konnte komplizierte Zusammenhänge der Dogmatik in einer einfachen, bildreichen Sprache erklären. Vieles davon prägte sich den Frauen so stark ein, daß sie es später für ihre Schüler im Religionsunterricht wiederholten. Bücher hatten die Schülerinnen im Seminar damals noch nicht zur Verfügung; zum Lernen mußten sie deshalb eine gehörige Portion Disziplin aufbringen

An Prälat Martin Fritz, der das Seminar gemeinsam mit der Beauftragten des Bonifatiusvereins für die Seelsorgehelferinnen in Ostdeutschland, Maria Haase, leitete, schätzten sie vor allem seine Art, Liturgie zu feiern. Besonders die Feier der Osternacht ist ihnen in Erinnerung; Halleluja"; singend zogen sie durch das ganze Haus. Sie wurden eingeführt in ein geistliches Leben. Als Vorbild dafür galt für viele Maria Haase. Sie hatte ihr Leben Gott und der Kirche total zur Verfügung gestellt auf eine Weise, die sympatisch und nachahmenswert wirkte. Für uns in den ersten Kursen war es selbstverständlich, daß zu diesem Beruf die völlige Verfügbarkeit in einer ehelosen Lebensform gehörte, auch wenn uns das Seminar darin völlig frei ließ";, erinnert sich die ehemalige Absolventin

Alle waren hochmotiviert für den Berufseinstieg. Sie freuten sich auf den Umgang mit Menschen und darauf, ihnen etwas vom christlichen Glauben zu erzählen. Wenn Johanna Dombrowitz später von ihrem langjährigen Einsatzort Harzgerode aus mit dem Fahrrad weite Wege zum Religionsunterricht zurücklegen mußte, freute sie sich die ganze Fahrt über auf die Kinder. Erste Gelegenheit zum Hineinschnuppern in den Berufsalltag hatten die jungen Frauen in Praktika bekommen, in der Regel eines in der Gemeinde und ein weiteres in der Fürsorge. Daß sie in den Gemeinden keinesfalls immer nur mit offenen Armen empfangen werden würden, wußten die jungen Frauen von Maria Haase und anderen Lehrern. Viele Priester wußten mit dem neuen Berufsbild noch wenig anzufangen und verstanden nicht, daß die Frauen in erster Linie für seelsorgliche Aufgaben ausgebildet worden waren. Am Anfang mußte man sich in unserem Beruf sehr klein machen";, sagt Johanna Dombrowitz. Gut, daß sie kommen";, begrüßte sie zum Beispiel der Pfarrer, als sie ihre zweite Stelle antrat. Wir haben gerade die Maler im Keller, da können sie gleich mal alles putzen."; Eine Reihe von Seelsorgehelferinnen hat ihre Arbeit nach wenigen Jahren aufgegeben, weil sie sich dem Beruf nicht gewachsen fühlten

Maria Haase, die Leiterin des Seminar-Internates, setzte sich für den Zusammenhalt der Berufskolleginnen ein. Sie gründete eine Diaspora-Berufsgemeinschaft, der sich in der DDR-Zeit viele Frauen anschlossen. Für Prälat Fritz war es ein großes Anliegen, daß die ostdeutschen Seelsorgehelferinnen regelmäßig weitergebildet wurden. Schulungs- und Weiterbildungsangebote richteten sich auch an die älteren Seelsorgehelferinnen, die ihre Ausbildung vor der Gründung des Magdeburger Seminars oftmals in Schnellkursen erhalten hatten. Die Arbeit von Maria Haase und Martin Fritz hat dazu beigetragen, daß der Beruf der Seelsorgehelferin immer mehr an Profil gewann. Johanna Dombrowitz war von 1964 bis zu ihrer Pensionierung 1983 Beauftragte für Seelsorgehelferinnen im Bischöflichen Amt Magdeburg. Heute lebt sie mit anderen Ruheständlerinnen im Magdeburger St.-Adelheid-Haus. Sie konnte beobachten, wie sehr sich der Beruf und auch die Ausbildung seither verändert haben. Auch wenn der Beruf Gemeindereferent(in)"; ein völlig anderes Gesicht hat als der Beruf, für den sie sich einst entschieden hat, trauert sie den alten Zeiten nicht nach. Sie hat eine Reihe von jungen Männern und Frauen kennengelernt, die in den letzten Jahren am Seminar für Gemeindepastoral St. Gertrud studierten. Mancher hat sie beeindruckt. Ich bin froh, daß ich diese Zeit in der Kirche noch erleben darf";, sagt sie

Dorothee Wanzek

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 42 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 18.10.1998

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