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Bistum Görlitz

Medienkonferenz europäischer Völkergruppen in Bautzen

Minderheitenschutz

Bautzen / Cottbus (mh) - "Minderheiten droht die Gefahr, daß sie verstummen", so begrüßte der Moderator der Eröffnungsveranstaltung die Teilnehmer der Internationalen Medientage europäischer Volksgruppen, die vom 8. bis 10. Oktober in Bautzen stattfanden. Und er brachte damit das Anliegen der Tage auf den Punkt: die Suche nach Möglichkeiten und neuen Wegen zur Bewahrung der Identität von Minderheiten und die Rolle, die die Medien dabei spielen. Eingeladen hatte die Stiftung für das sorbische Volk. Die Vorsitzende des Stifungsrates, Maria Mi-chalk, wies dann auch bei ihrem Grußwort auf den Einfluß und die Rolle der Medien hin: "Medien sind das dominierende Forum, um Informationen weiterzugeben, Haltungen zu entwickeln und Ideen auszutauschen." Das prestigeträchtigste Medium sei ohne Frage das Fernsehen. "Deshalb ist unser Bemühen um sorbisches Fernsehen nicht eine Prestigefrage, sondern der Versuch, alle Möglichkeiten der Identitätsbewahrung zu nutzen."

Einen Schritt weiter ging der Vorsitzende der Domowina (Bund Lausitzer Sorben), Jakob Brankatschk. Seiner Einschätzung nach spiegele sich die Tatsache, daß es sich bei der Lausitz um ein bikulturelles und zweisprachiges Gebiet mit einer über tausendjährigen Tradition handele, zu wenig in den Medien, insbesondere dem Fernsehen, wieder. Einschaltquoten seien oftmals der alleinige Gesichtspunkt für die Programmgestaltung. "Aber auch die Minderheiten erwarten ein angemessenes Programm in ihrer Sprache", betonte Brankatschk. Insbesondere kritisierte er das Fernsehen des Mitteldeutschen Rundfunks: Das MDR-Fernsehen erfülle seinen Programmauftrag "zur Stunde noch nicht ausreichend". Auch im TV-Bereich sei eine angemessene Zahl von Sendungen in sorbischer Sprache notwendig. Ansonsten aber äußerte sich der Domowina-Vorsitzende lobend zum Engagement der öffentlich-rechtlichen Anstalten: Sie leisteten einen wichtigen Beitrag, insbesondere für die Jugendlichen, damit sie ein Verhältnis zu ihrer Sprache entwickeln können

Reinhard Zimmermann vom Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, unterstrich die Notwendigkeit nach Möglichkeiten der Medienpräsenz für Minderheiten zu suchen, warnte aber zugleich vor überzogenen Erwartungen. Minderheiten seien auf das Wohlwollen der Mehrheit angewiesen und die Unterstützung der Minderheiten sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Hier müßten auch die Medien ihren Beitrag leisten

Das Problem der Identitätsuche der Sorben schilderte die sorbische Schriftstellerin Roza Domascyna. Besonders geprägt zeigte sie sich von ihren Erfahrungen in der DDR und dem Verhältnis zu ihrer Mutter. Ihre Mutter gehöre zu den letzten Trachtenträgerinnen in ihrem Heimatdorf. Sie habe - nicht aus folkloristischen Gründen - die Tracht und die Sprache auch in der Nazi- und DDR-Zeit gebraucht. Ihre eigene "Wir-Erfahrung" sei eine Erfahrung der Anpassung: "Ich war Jungpionier mit einem Heiligenbildchen in der Hand!" Die Folklore werde bleiben: Ostereier-Malen und Vogelhochzeit als Pflichtübung, aber: "Wie sich sonst mitteilen?" Und: "Wie sich wenden, um zu bleiben?" Ein Rezept hatte Roza Domascyna nicht, wohl aber die Antwort: "Schreiben, fotografieren, senden!" Notwendig sei Transparenz. Und Abgrenzung sei Ausgrenzung

Gegen Ab- und Ausgrenzung sprach sich auch Karl Friedrich Reimers von der Hochschule für Fernsehen und Film in München aus. Minderheit und Mehrheit müßten sich gegenseitig als Bereicherung verstehen. Und die Medien müßten die Minderheiten so darstellen, daß sie von der Mehrheit als Reichtum verstanden werden. Hier habe sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk bewährt, der von der Gemeinnützigkeit lebe und nicht unter rechnerisch-kaufmännischen Druck geraten dürfe

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 42 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 18.10.1998

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