Caritas denkt über Nachwuchswerbung nach
Ehrenamt
Magdeburg (dw) - Junge und alte ehrenamtliche Helfer arbeiten in den Pfarrgemeinden zusammen, sie ergänzen und unterstützen sich gegenseitig. Jeder kann Art, Umfang und Dauer seines Dienstes selbst bestimmen. - So stellt sich Christa-Maria Kramer, Abteilungsleiterin für Sozialarbeit beim Magdeburger Diözesancaritasverband, das sozialkaritative Ehrenamt der Zukunft vor
Einer Studie zufolge, die die ostdeutschen Caritasverbände (mit Ausnahme von Erfurt) vor einigen Monaten in Auftrag gegeben haben, wünschen sich 90 Prozent der Pfarrgemeinden zusätzliche Helfer für ihre bisherigen sozialkaritativen Aufgaben. Die Organisation von Veranstaltungen in der Gemeinde und Besuchsdienste für alte und kranke Menschen wurden von den Interviewten dabei an erster Stelle genannt. 70 Prozent der ehrenamtlichen Helfer in den 630 befragten Gemeinden sind aber schon älter als 50 Jahre
Wenn Gemeinden neue Ehrenamtliche gewinnen wollen, müßten sie stärker auf die Fähigkeiten junger Menschen achten und sich für neue Aufgaben öffnen. Als Beispiele nennt Christa-Maria Kramer ein Sonntagsdiakonat im Krankenhaus oder den Betrieb eines Jugendcafés, das offen ist für Ausländer. Jugendlichen müsse die Möglichkeit eingeräumt werden, sich nicht sofort auf Lebenszeit für einen karitativen Dienst zu verpflichten, sondern befristet für einen überschaubaren Zeitraum. Bei der Werbung neuer Helfer sollte besser auf die möglichen Motive geachtet werden. Besonders gut anzusprechen seien Menschen, wenn sie selbst von einer Not betroffen waren oder sind, wenn sie in eine neue Lebensphase kommen, in den Ruhestand gehen oder ihren Partner verloren haben
Ehrenamtliche sollten mit ihren Aufgaben nicht alleingelassen werden. Die Caritas-Abteilungsleiterin hält es für sinnvoll, wenn sie auf ihren Dienst vorbereitet werden, zu Weiterbildungen eingeladen werden und die Gelegenheit haben, sich mit anderen Ehrenamtlichen auszutauschen. Das Bistum Magdeburg hat in 180 Gemeinden etwa 2000 Ehrenamtliche. Caritasgruppen oder Helferkreise gibt es längst nicht in jeder Gemeinde
Ein äußerst aktiver Caritaskreis hat sich 1993 in der Herz-Jesu-Gemeinde Sangerhausen gegründet. 58 Frauen und Männer gehören dazu, davon 21 aktive Helfer. Sie besuchen alte Gemeindemitglieder zu Geburtstagen und bei Krankenhausaufenthalten. Wer ansonsten kaum noch Kontakt zur Kirche hat, bekommt auch öfters Besuch. Für Körperbehinderte aus dem gesamten Dekanat organisiert die Gruppe zweimal im Jahr einen Behindertentag. Die Tochter des Sangerhäuser Diakons Johannes Jakubowitz lebt seit 1994 im sibirischen Omsk und ist dort Caritasdirektorin
Die Caritasgruppe unterstützt sie mit Hilfslieferungen und mit einer monatlichen Spende, zu der sich jeder in jeweils unterschiedlicher Höhe verpflichtet. Mehrere Tonnen Hilfsgüter sind bereits von Sangerhausen aus nach Omsk transportiert worden, darunter Krankenhausbetten und Kleidung für Kinderheime und Kleiderkammern. Für die geistig behinderten Bewohner des Caritasheims Heiligenkreuz hat die Gruppe vor zwei Jahren eine Art Patenschaft übernommen. Einem Aufruf des Magdeburger Diözesancaritasverbandes folgend hatte sie sich am Grundstückskauf der Einrichtung beteiligt. Seit 1996 erfüllt sie den Heimbewohnern Weihnachtswünsche und spannt bei dieser Aktion die ganze Gemeinde ein. Zweimal hat eine Delegation aus Sangerhausen bereits das Heim besucht, vergangenen Sommer machten die Bewohner erstmals einen Gegenbesuch
Einzelne in der Gruppe kümmern sich um Aussiedler. Johanna Müller, die Leiterin der Gruppe, hat bis vor kurzem eine Großfamilie bosnischer Flüchtlinge betreut. Gisela Windolph vertritt die Caritas im Seniorenbeirat der Stadt. Viermal im Jahr kommen die Frauen und Männer zusammen, um Erfahrungen auszutauschen, die Besuchskartei zu aktualisieren und Terminabsprachen zu treffen
Die Motivation für die meisten liege in dem Bewußtsein, daß zum Christsein auch der Dienst am Nächsten gehört, glaubt Johanna Müller. Diakon Jakubowitz pflichtet ihr bei: "Das schönste ist, wenn jemand bei einem Besuchskontakt fragt: ,Warum machen Sie das eigentlich?' " Dann hätten die Helfer Gelegenheit, etwas von ihrem Glauben weiterzugeben. Es sei keinesfalls selten, daß Menschen durch die Besuche der Caritas den verlorenen Kontakt zur Gemeinde wiederfänden
Wie in den meisten Gemeinden ist auch in Sangerhausen ein Großteil der Ehrenamtlichen schon im Rentenalter. Auch hier ist es nicht einfach, jüngere hinzuzugewinnen. Caritas-Abteilungsleiterin Christa-Maria Kramer glaubt dennoch, daß die Gruppe auf einem guten Weg ist: Man sieht den Helfern an, daß ihnen ihr Dienst Freude macht. Sie arbeiten gut zusammen und sind aufmerksam für die Nöte in ihrer Umgebung. Frau Kramer ist aufgefallen, daß bei Fortbildungen des Verbandes fast jedesmal neue Ehrenamtliche aus Sangerhausen dabei sind
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 18.10.1998