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Bistum Magdeburg

Wie Abfall behandelt

Gedenken an Nazi-Opfer

Mühlberg (dw) - Ein Kreuz aus Eisenschrott erinnert in der katholischen Kirche von Mühlberg seit vielen Jahren an die Menschen, die in den 40er Jahren im Lager Neuburxdorf, wenige Kilometer von Mühlberg entfernt, gequält wurden und ums Leben kamen. Der frühere Pfarrer Georg Kamrad hatte das Kreuz aus Eisenabfall anfertigen lassen, um daran zu erinnern, daß, wie er damals sagte, "Menschen wie Abfall behandelt wurden". 8000 Tote hat es im Lager Neuburxdorf gegeben. 1943 bis 1945 hatten die Nationalsozialisten dort Kriegsgefangene interniert, von '45 bis '48 war Neuburxdorf ein russisches Geheimlager.

Mit einer Gedenkfeier und einem ökumenischen Gottesdienst erinnern Mühlberger Bürger und ehemalige Insassen jedes Jahr am ersten Septembersonnabend an die Opfer. Daß die Lager existierten, war in Mühlberg in den 40er Jahren durchaus bekannt, sagen Bürger, die damals schon hier gewohnt haben, aber "es durfte nicht darüber geredet werden". Bis zu 150 Pfarrer aus aller Herren Länder müssen in der Nazizeit in Neuburxdorf als Kriegsgefangene interniert gewesen sein. Es gab eine Lagerkapelle, und Fotos, die heute im Museum ausgestellt sind, belegen, daß im Lager Fronleichnam gefeiert wurde und daß die Häftlinge eine riesige Weihnachtskrippe gebaut hatten. Über die politisch Gefangenen des russischen Speziallagers ist weniger bekannt. Die Namen der Gefangenen sind in Moskauer Archiven festgehalten, die erst in jüngster Zeit und nur sehr zögerlich herausgegeben werden. Hans-Rudi Thiersch, seit 1977 Priester in Mühlberg, weiß, daß der Bruder des Kölner Kardinals Frings nach dem Krieg hier inhaftiert war. Er selbst hatte Kontakt mit einem französischen Priester, der nach '45 in Neuburxdorf war und der nach der Wende mit einem Bus voller ehemaliger Häftlinge und Angehöriger das Gräberfeld aufsuchen wollte, das heute noch von dem einstigen Lager zeugt.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 45 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 08.11.1998

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