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Arbeiten in anderen Dimensionen

Rainer Burczyk arbeitet als Baubeauftragter an der Hofkirche in Dresden

Rainer Burczyk auf Dresden (jak) -Noch bis vor kurzem konnte Rainer Burczyk die Tür am Glockenstuhl nehmen, um auf das Dach der Dresdner Hofkirche zu kommen. Seit einigen Monaten, genauer mit dem Einbau des hölzernen Glockenstuhls, ist dies nicht mehr möglich. Ein dicker Balken verstellt die Tür, und für Rainer Burczyk bedeutet dies, dass er derzeit nur über eine Leiter das Kirchendach betreten kann. Rundgänge darauf gehören zum Alltag des kirchlichen Baubeauftragten, der die bauliche Situation der Kirche immer im Blick hat. Zwar wurden die grundlegenden Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten -bei denen Rainer Burczyk mit wachsamen Augen, Rat und Tat zugegen war -noch vor dem Jubiläum im Juni im wesentlichen abgeschlossen, aber ein so alter Bau bedarf immer einer gewissen Kontrolle. Denn wer weiß schon, dass die Kirche unter anderem starken Winden ausgesetzt ist, die von Westen aus gegen das Kirchschiff drücken. Feine Risse in den Fliesen des Toilettenraumes für die Kapellknaben und die anderen Kirchenmusiker weisen darauf hin.
Ein anderes Beispiel ist der neue Glockenstuhl. Von der Silbermannorgel aus geht Rainer Burczyk wochentags die engen Stufen bis zum Glockenstuhl hinauf, dann über eine Leiter bis in ihn hinein. Und wenn die Glocken beispielsweise um 12 Uhr läuten, schaut er, wie sich der Stuhl und die Glocken bewegen. Bis sich letztere so richtig in das Holzjoch eingearbeitet haben, können sie sich verschieben. Zudem gilt es auf Risse im Material zu achten, denn das neue Holz arbeitet lange nach, gerade an wärmeren Tagen. Mit dem Einbau des Glockenstuhls zu Beginn diesen Jahres wurde der Antrieb verändert. Magneten bringen seither die Glocken nach dem Prinzip des Transrapid zum Schwingen, fachlich richtig heißt dies Linearantrieb. Zum ersten Mal sollte das um eine Glocke erweiterte und nunmehr wieder komplette Geläut in der Osternacht erklingen, doch eine technische Panne verhinderte dies fast. Ein durchgebranntes Teil war in der Kürze der Zeit nicht zu beschaffen. Prof. Olaf Kempe, der den Glockenstuhl entworfen hatte, packte aber plötzlich die Handschuhe aus und sagte. "Die große Glocke läuten wir ..."
Rainer Burczyk bewegt sich sicher auf den Leitern und Gehölzen in ziemlicher Höhe, unter ihm ist oft der Abgrund. "Das war aber nicht immer so", berichtet er, "am Anfang hat es mich regelmäßig Überwindung gekostet, mit der Höhe zu leben." Und mit der kommenden kalten Jahreszeit gilt es, oft vorsichtig zu sein. Der Baubeauftragte erinnert sich, dass er im vergangenen Winter auf dem Dach von einem Eisregen überrascht wurde und nur ganz langsam wieder in die sicheren Bereiche des Gotteshauses gelang. Der gelernte Maschinenbauingenieur Rainer Burczyk absolvierte nach der Wende eine Weiterbildung im Bauwesen und kam über die inzwischen aufgelöste Dombauhütte 1995 in die Dresdner Hofkirche. Seine dortige Tätigkeit -die übrigens mehr ist als nur Kontrolle, in kleineren Bauten würde man vom Hausmeister sprechen -sieht er nicht nur als Arbeit an. Rainer Burczyk: "Man entwickelt eine gewisse Beziehung, früh bin ich oft der erste und abends der letzte, ich gehöre irgendwie dazu ..." Im positiven Sinne meint er weiter, dass es irgendwie auch "seine Kirche" ist, einfach kein fremdes Bauwerk. Zugleich verweist Rainer Burczyk auf die anderen Dimensionen, die mit einer solchen Kirche verbunden sind. "Kaufe ich einen Computer, so ist er schon nach kurzer Zeit veraltet, ein Glockenstuhl an der Hofkirche muss aber zirka 500 Jahre halten", berichtet er. Diese Dimension versucht er auch immer wieder denen zu vermitteln, die an und für die Kirche arbeiten.

Konkret nahm und nimmt Rainer Burczyk während der Bauarbeiten die Vermittlerrolle zwischen dem Nutzer Kirche und dem Eigentümer und Bauherren der Hofkirche, dem Freistaat Sachsen, vertreten durch das Staatshochbauamt, wahr. Dies ist wichtig, weil einfach jemand da sein muss, der die Kirche von Grund auf kennt. So ist es nicht zuletzt Rainer Burczyk zu verdanken, dass nach der Einrüstung des Mittelschiffs an den Einbau neuer Fenster im Bereich der Kirchendecke gedacht wurde. Seither erstrahlt die Kirche in ganz neuem Licht. Und dass dies so bleibt, gewährleistet die Möglichkeit, die Mittelfenster zu öffnen -wodurch sich die Scheiben auch von innen putzen lassen. Als nächstes stehen die Sanierung der Silbermannorgel und der Einbau eines Behindertenaufzuges an.

Nach deren Fertigstellung wird es auch für Rainer Burczyk immer wieder darum gehen, weiter dafür zu sorgen, dass die Hofkirche nach ihrem diesjährigen 250-jährigen Jubiläum für nachfolgende Generationen gepflegt und erhalten wird.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 42 des 51. Jahrgangs (im Jahr 2001).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 19.10.2001

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