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Aus der Region

Für die neue Kapelle in Liberec

Adventsaktion 1998

Vratislavice / Liberec - Reges Treiben in der Pfarrei von Vratislavice: Elf Schulkinder - die meisten sind nicht getauft - haben sich im Pfarrhaus der katholischen Gemeinde im Liberecer (Reichenberger) Stadtteil Vratislavice eingefunden. Gemeinsam mit ihren Gruppenleiterinnen Katerina (18) und Daniela (18) sitzen die Mädchen und Jungen um einen großen Tisch, basteln mit Kastanien und Holzstäbchen und haben ihren Spaß dabei. Als sie nach gut zwei Stunden nach Hause gehen, ist Abendgottesdienst in der Pfarrkirche. Draußen hinter dem Pfarrhaus, wo die neue Winterkapelle mit Pfarrsaal entsteht, machen die Bauarbeiter gerade Feierabend. In der barocken Pfarrkirche gegenüber dem Pfarrhaus gehen die Lichter an. Zehn Gläubige finden sich ein. Diakon Václav Vanek (46), der seit 1990 die Pfarrei zur allerheiligsten Dreifaltigkeit als Pfarradministrator leitet, hält einen Wortgottesdienst mit kurzer Predigt und Kommunionausteilung

Nach dem Gottesdienst ist Jugendstunde. Heute haben sich nur sieben junge Leute versammelt, manchmal sind es auch doppelt so viele. Die Mädchen und jungen Männer beten mit Diakon Va-nek das kirchliche Abendlob, die Vesper. Später diskutieren sie über die schwierige Situation der katholischen Kirche im Land und über ihre christliche Lebenspraxis. Als sie sich auf den Weg machen, um ins Kino zu gehen, steht für den verheirateten Diakon noch der Familienkreis auf dem Programm. Sechs Ehepaare haben sich im Haus einer der Familien eingefunden. Auch hier wird zunächst die Vesper gebetet, bevor die Fauen und Männer einen Imbiß einnehmen und über einen Zeitungsartikel zur Weihe des Hradec Kralover Bischofs Dominik Duka ins Gespräch kommen. Diakon Vanek und Gemeindeassistentin Evelyn Bernard (36) sind mit von der Partie

Frau Bernard ist sei 1991 in der Pfarrei tätig. Die aus Schmerbach in Thüringen stammende Frau hat sich in der Wendezeit entschlossen, im Auftrag ihrer Gemeinschaft, des Säkularinstituts St. Bonifatius, Detmold, in die damalige Tschechoslowakei zu gehen. Seitdem wohnt sie mit drei weiteren Frauen des Säkularinstituts in Stráz in der Nähe von Liberec und ist gemeinsam mit Diakon Vanek im Liberecer Stadtteil Vratislavice für die Seelsorge verantwortlich

"In unserer Pfarrei ist immer etwas los", erzählt die Gemeindeassistentin. "Montags kommen zehn bis 15 auch ungetaufte Kinder, um mit einer der Mütter zu malen, dienstags biete ich Deutschunterricht an, abends ist 14täglich Familienkreis, mittwochs finden Religionsunterricht, Jugendstunde und Schola statt. Donnerstags kommen durchschnittlich zehn Kinder zur ganztägigen Frohen Herrgottsstunde - wir nennen das einfach "Kindergarten", und freitags ist "Touristentag", das heißt, wir unternehmen mit den Kindern etwas in der Natur, wandern, gehen im Sommer baden. Daran beteiligen sich vor allem ungetaufte Kinder. Es ist wichtig, gerade die Kinder mit der Kirche in Kontakt zu bringen", sagt Frau Bernard. "Die Kinder des Stadtteils sind jeden Tag eingeladen, zu uns ins Pfarrhaus zu kommen. Das ist seit der Wende so, als der Diakon zum ersten Mal in die Schule neben dem Pfarrhaus ging und die Kinder einlud."

Vratislavice hat eine zwar kleine, aber aufblühende Pfarrei. Die Zahl der Gemeindemitglieder ist seit 1990 stetig gestiegen. "Ostern 1992 haben wir 42 Kinder getauft und 1993 war erstmals seit vielen Jahren wieder in Vratislavice Firmung", berichtet Diakon Vanek von den stattlichen Anfängen nach der sanften Revolution. Zu kommunistischen Zeiten kamen in ganz Liberec viel weniger Gläubige zum Gottesdienst. Inzwischen zählt die Gemeinde in dem rund 6000 Einwohner zählenden Stadtteil gut 150 Mitglieder, 126 Personen wurden in der Pfarrei seit der Wende insgesamt getauft, die meisten davon sind Kinder unter 14 Jahren. "Wenn von den durchschnittlich 100 Gottesdienstteilnehmern, unter denen etwa 20 Jugendliche sind, nur die Hälfte in Vratislavice bleiben und hier heiraten, dann könnte die Gemeinde in den nächsten Jahren weiter wachsen", hofft Diakon Vanek. Und Gemeindeassistentin Bernard fügt augenzwinkernd hinzu: "Karteileichen gibt es bei uns nicht, weil es keine Kartei aus der Zeit vor 1990 gibt."

20 Familien nehmen aktiv am Leben der Pfarrei teil. Die meisten sind zugezogen, weil sie sich in Vratislavice ein Haus gebaut oder in der Alt-Neubau-Siedlung eine Wohnung gefunden haben. Fast jeden Sommer machen die Familien mit dem Diakon und der Gemeindeassistentin einige Tage gemeinsam Urlaub - eine Praxis, die in tschechischen Gemeinden verbreitet ist. 50 Personen der Gemeinde haben 1997 daran teilgenommen. "Solche Tage bieten Gelegenheit, intensiv den Glauben einzuüben", sagt der Diakon, der selbst vier Kinder hat. In diesem Jahr allerdings wurde zugunsten des Kapellenbaus auf einen gemeinsamen Urlaub verzichtet. Denn die Fertigstellung der Bauarbeiten ist derzeit das wichtigste Anliegen der Gemeinde

Wenn es seine weiteren Pflichten als Dozent zulassen, kommt Franziskaner-Pater Radim Jáchym (71) sonntags und auch werktags aus der Liberecer Innenstadt, um mit der Gemeinde Eucharistie zu feiern. Im Sommer finden alle Gottesdienste in der Pfarrkirche statt. Problematisch ist es hingegen im Winter, weil die 1701 erbaute und vor rund 15 Jahren sanierte Kirche nicht beheizbar ist. Bislang finden im Winter die Gottesdienste deshalb in einem Raum des Pfarrhauses statt, der jedoch zu eng ist. Für Diakon und Gemeindeassistentin spielt noch ein anderer Aspekt eine Rolle: "Junge Leute brauchen zeitgemäße Räume. Eine modern gestaltete Kapelle kann jungen Menschen helfen, zu Gott zu finden."

So hat die Gemeinde begonnen, hinter dem alten Pfarrhaus eine Winterkapelle mit 80 Sitzplätzen sowie einen darunter im Kellergeschoß liegenden Pfarrsaal für größere Veranstaltungen zu bauen. Das Osteuropa-Hilfswerk Renovabis hat dafür 220 000 Mark (vier Millionen Kronen) zur Verfügung gestellt. Inzwischen nehmen die künftige Auferstehungskapelle, wie das Gotteshaus heißen soll, und ein Nebengebäude konkrete Formen an: Ein ansehnlicher Rohbau für Kapelle, Saal und Sanitäranlagen ist entstanden. Ein daran angefügter kleiner Anbau soll je einen Raum für die Arbeit der Caritas und für Familienarbeit sowie im ersten Stock zwei Zimmer für Übernachtungen bieten. Die Fundamente hat die Jugend ausgeschachtet und unter Anleitung eines Fachmanns den Dachstuhl mit aufgebaut. In Eigenregie sollen auch ein Teil des Innenausbaus und die Elektro-Arbeiten geleistet werden. Zudem wurde durch die Gemeinde eine erhebliche Geldsumme aufgebracht. Weitere Geldmittel wurden aus Deutschland gespendet. Dennoch fehlen für den Innenausbau und die Einrichtung noch mehr als 100 000 Mark

Wenn der Bau erst einmal fertig ist, so soll in einem nahe dem Pfarrgrundstück gelegenen Haus, das die Gemeinde nach der Revolution vom Staat zurückerhielt und das derzeit vermietet ist, eine caritative Einrichtung entstehen, etwa im Rahmen der Altenarbeit. Diakon Vanek und Frau Bernard engagieren sich auch über die Pfarrei hinaus. "Jedes Jahr findet eines der beiden Bistums-Treffen der Diakone und Gemeindeassistenten mit Bischof Josef Koukl bei uns statt", erzählt der Diakon. Zudem hat Vanek in zwei Räumen des Pfarrhauses eine Buchhandlung mit christlichen Büchern eingerichtet und versorgt damit die Region. Und auf Dekanatsebene finden in Vratislavice regelmäßig Kinder- und Jugendtage statt.Wie hatte doch Gemeindeassistentin Bernard gesagt: "In unserer Pfarrei ist immer etwas los." Eckhard Pohl

Mit ihrer diesjährigen Advents-Hilfsaktion lädt die Redaktion alle Leser des Tag des Herrn dazu ein, durch Überweisung eines Geldbetrages auf das Konto der Magdeburger Partnerschaftsaktion Ost die Gemeinde von Vratislavice beim Aufbau ihrer Kapelle und ihres kleinen Gemeindezentrums zu unterstützen

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 48 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 29.11.1998

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