Sachsenweit einziges Institut für katholische Theologie
TU Dresden
Dresden - Gerade elf Studenten waren es im Wintersemester 1993/94, als das Institut für katholische Theologie an der TU Dresden offiziell seine Arbeit begann. Heute sind es immerhin 60, die auf einen Hochschulabschluß hinarbeiten. Genau die Hälfte will später katholische Religion an Schulen lehren, die anderen 30 haben katholische Theologie als Haupt- oder Nebenfach in einem Magisterstudiengang gewählt. In Wirklichkeit studieren aber wesentlich mehr Menschen am Institut - theologische Vorlesungen sind bei der Dresdner Bürgeruniversität sehr beliebt, viele nichteingeschriebene Studenten belegen die Seminare im Rahmen des Studium Generale oder einfach nur aus Interesse. Direktor des Instituts ist Professor Albert Franz, der nach fünfjähriger Tätigkeit an der Theologischen Fakultät Trier 1993 nach Dresden kam - eine sehr bewußte Entscheidung für Ostdeutschland: "Trier war ein vorbestellter Garten, alles war da, hat schon geblüht. Hier ist ein Acker, wo ich überhaupt erst sehen muß, wie etwas wachsen kann - das ist eigentlich viel interessanter." Besonders die Motivation der Dresdner Studenten freut Franz - hier sind seine Philosophie-Vorlesungen kein lästiges Pflichtprogramm, sondern werden von wirklich neugierigen Studenten besucht
Zweiter Professor am Institut ist Thomas Schmeller, der die Disziplin biblische Theologie lehrt. Eigentlich sind noch zwei weitere Lehrstühle üblich, doch der für praktische Theologie ist zur Zeit unbesetzt und einen für Kirchengeschichte gibt es in Dresden gar nicht. Für die Kirchengeschichte werden Lehraufträge vergeben, problematischer ist der leere Lehrstuhl: Weil die Kandidatenliste seit längerer Zeit auf den Verhandlungstischen von Staat und Kirche liegt, fürchtet Albert Franz, daß eine ganze Studentengeneration ohne einen Professor für praktische Theologie auskommen muß. Das ist schmerzlich, weil gerade für die Lehramtskandidaten Bereiche wie die Religionspädagogik besonders wichtig sind. Trotz solcher Hindernisse ist Albert Franz überzeugt, daß das Dresdner Institut einzigartig ist. Mit einem neuen Typ von Theologie möchte man sich wissenschaftlich profilieren und nicht zuletzt vom Konzept der großen theologischen Fakultäten abgrenzen: "Unsere Aufgabe ist es, die Theologie zu elementarisieren. Das ist dann nicht eine verdünnte Fakultätstheologie, sondern das Herausziehen der Punkte, um die es wirklich geht." Was ist überhaupt Theologie? Was ist Glaube, wie funktioniert Glaube? Welches Menschenbild, Gottesbild, Wirklichkeitsverständnis haben wir - auch im Kontext der anderen Wissenschaften? Das sind die Fragen, die Dozenten und Studenten in Dresden stellen
Etwas Besonderes sind auch die zahlreichen Aktivitäten des Instituts. Die Studentin Andrea Haumann bezeichnet dies als außergewöhnlich: "Das Institut ist für uns nicht nur Studium, sondern schon Lebensraum." Höhepunkte sind die Exkursionen, die bereits nach Polen, Israel und Rom geführt haben. Veranstaltungen an der Universität werden meist ökumenisch, zusammen mit der evangelischen Theologie organisiert. Neben gemeinsamen Lehrveranstaltungen gibt es nur in Dresden die Möglichkeit, im Magisterstudiengang sowohl katholische als auch evangelische Theologie zusammen zu studieren. Das Engagement der Studenten reicht noch darüber hinaus - so waren sie im letzten Jahr zusammen mit einem Pädagogik-Professor an der Entwicklung des im Benno-Verlag erschienenen Kinderbuches "Abenteuer Frauenkirche" maßgeblich beteiligt
Trotz dieser Lebendigkeit sind die Dresdner Theologen aber etwas enttäuscht über ihre Wirkung nach außen: "Wir haben das Gefühl, daß das Institut ein bißchen am Rande der öffentlichen Wahrnehmung ist - obwohl es das einzige katholische Hochschulinstitut in ganz Sachsen ist", so Thomas Schmeller. Nicht zuletzt, wenn es um die Zeit nach dem Studium geht, fühlen sich manche Studenten von der Kirche etwas alleingelassen. Denn kirchliche Arbeitsplätze gibt es - außer den Stellen als Religionslehrer - kaum für die fertigen Theologen. Der Magisterabschluß wird für viele kirchliche Dienste immer noch nicht als Qualifikation anerkannt. Und selbst die Lehramtsstudenten können nicht mehr sicher sein, überhaupt unterzukommen
Was sind eigentlich heute Motivationen, katholische Theologie zu studieren und sich etwa mit dem obligatorischen Latein und Griechisch abzumühen? Die Antworten sind unterschiedlich. Claudia Kern, zur Zeit im fünften Semester, möchte später in einem Verlag arbeiten. Dafür studiert sie im Hauptfach Germanistik; die Theologie ist eine willkommene Spezialisierung. Wie die meisten Studierenden bereut sie nicht, hier am Institut begonnen zu haben. Im siebten Semester studiert Markus Wiegel, er kombiniert die Theologie mit der Geschichte und Rechtswissenschaft. Da er anderswo kaum Chancen sieht, bereitet er sich auf eine Stellung in der Wirtschaft vor. Anders ist die Lage bei Aline Kaiser. Der Beruf spielt für sie zunächst keine Rolle. Sie fühlte sich nach der Schule noch nicht bereit für ein Studium, hatte Interesse an Theologie und suchte einen Weg zu Gott. Als Ungetaufte fand sie das in der Gemeinde zu schwierig und versuchte es an der Universität. Was zunächst für ein Jahr geplant war, geht jetzt weiter: Das Studium findet Aline "faszinierend". Ganz auf den Beruf der Lehrerin eingestellt ist Agnes Fiedler. Im neunten Semester studiert sie Deutsch und Theologie, die sie immer schon mochte
Eine religiöse Erfahrung stand für Dagmar Paul am Anfang ihres Studiums. Beim Religionsunterricht in der Oberstufe wurden elementare Sinnfragen behandelt. Irgendwann kam ihr die Einsicht: "Das geht mich unbedingt an, das bewegt mich, da will ich mehr von wissen, mehr mit zu tun haben." Gesagt getan - heute hat Dagmar Paul ihr Studium abgeschlossen und bereitet sich als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut auf ihre Promotion vor. Der Studentin Andrea Haumann ist es wichtig, später an einer Schule ihre Glaubenserfahrungen weiterzugeben, "an Kinder oder Schüler, denen der Schritt in die Gemeinde schon zu weit ist". Sie möchte jungen Menschen vermitteln, daß Glaube nichts Unvernünftiges ist. Nicht verstehen können sie und ihre Kommilitonen, daß es teilweise immer noch ein Konkurrenzdenken zwischen Religionsunterricht und Pfarrgemeinde gibt. "Die Pfarrer fürchten die Lehrer oft als Konkurrenz zur Gemeindearbeit, auch hört man, daß im Westen Religionslehrer oft distanziert zur Kirche stehen", so Haumann. Die beiden Dresdner Professoren Franz und Schmeller widersprechen den Vorurteilen heftig. "Der Religionsunterricht ist eine sinnvolle Ergänzung zu dem, was die Pfarrer anbieten. In der Gemeinde wird eher der persönliche Glaube angesprochen und Glaubensunterweisung betrieben, die Schule jedoch setzt sich mit der religiösen Dimension des Menschen insgesamt auseinander", so Schmeller. Man müsse auch die Chancen sehen, die Religionsunterricht für kirchenferne Jugendliche biete. Albert Franz plädiert daher für einen weit stärkeren Kontakt des Instituts mit dem kirchlichen Umfeld - speziell mit den Pfarrern. Auf diesem Wege könnten sich Kirche und Universität gegenseitig befruchten
Christian Saadhoff
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 29.11.1998