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Bischof Duka zu Kirche und Gesellschaft in Tschechien

Dokumentation (Teil 1)

Der neue Bischof von Königgrätz (Hradec Králové), Dominik Duka, hielt im Dominikanerkonvent St. Albert in Leipzig einen Vortrag zur Geschichte und Gegenwart der katholischen Kirche in Tschechien. Der Tag des Herrn gibt diesen Vortrag mit leichten Kürzungen wieder:

Sollen wir die jetzige Situation verstehen, müssen wir auf die Vergangenheit zurückschauen: mit dem Fall der Monarchie im Jahre 1918 befand sich die katholische Kirche in einer neuen Lage. Sie verlor ihre Privilegien, durch welche sie vom Kaiserhaus geschützt wurde. Für die Mehrheit der nationalistisch denkenden Bevölkerung war die Kirche ein fremdartiges Organ, das innerhalb der tschechischen Nation keinen Platz hatte. Eine privilegierte Stellung hatten damals für sich die nichtkatholischen Kirchen, namentlich die evangelische Kirche der Böhmischen Brüder und die tschechoslowakische hussitische Kirche in Anspruch genommen. Auch die Konversion des Präsidenten Masaryk zu den Böhmischen Brüdern hat eine Voraussetzung für die herausragende Stellung dieser Kirche geschaffen

In den 30er Jahren machte sich ... eine Änderung des Verhältnisses zwischen dem Staat und der Kirche bemerkbar. Auch die Katholiken der damaligen Tschechoslowakischen Republik fanden eine neue Beziehung zur Gesellschaft, die auch den Zerschlagung der Tschechoslowakei nach dem Münchener Abkommen überlebte

Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm die Kirche als Institution, die sich an der Rettung und Wiederherstellung des nationalen Lebens und des Staates mit dem vollen Einsatz beteiligte, wieder am gesellschaftlichen Leben teil. Der Vorsitzende der Exilregierung in London war Msgr. Schrámek, katholischer Priester und Vorsitzender der Volkspartei. Die deutsch-tschechischen Nachkriegsspannungen löste die Kirche auf zweierlei Weise. Die Hierarchie wurde größtenteils durch Bischöfe vertreten, die aus den Konzentrationslagern zurückgekehrt sind. Dadurch sollte auch das Problem des katholischen Priesters Dr. Josef Tiso verdrängt werden, der während des Zweiten Weltkrieges an der Spitze des slowakischen Staates stand. Die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus dem Sudetenland und dem Egerland vermochte die Kirche auf eine nachdrücklichere Weise nicht zu verhindern, weil das Bewußtsein einer Kollektivschuld obsiegte, die die Geltendmachung einer rechtlichen und gerechten Behandlung unmöglich machte. Man muß feststellen, daß die Kirche nicht einmal die gesetzwidrigen Racheakte der tschechischen Bevölkerung genügend verurteilte. Trotzdem kann man sagen, daß die Kirche die einzige Institution war, die auf viele schmerzhafte Vorfälle aufmerksam machte

Die kurze, dreijährige Zeitspanne der Freiheit bedeutete einen Aufschwung für die katholische Kirche in Böhmen und Mähren. Davon zeugen die zunehmende Aufnahmen in Priesterseminaren und Orden, das rege Leben in den kirchlichen Verlagshäusern, die Vereinstätigkeit sowie die Jugendarbeit. Dennoch gab es große Probleme. So bewirkte der Verlust von einem Drittel deutscher Gläubiger sowie der katastrophale Mangel an Priestern in den Grenzgebieten eine totale religiöse Zerstörung auf etwa einem Viertel des Landesgebiets. Schwierig war auch die Situation der Kirche in der Slowakei, wo die kommunistische Partei jeden beliebigen Vorwand nutzte, um die Kirche der Kollaboration mit dem deutschen Nationalsozialismus beschuldigen zu können. Der Zeitraum 1945 bis 1948 wurde auch durch einen massiven Einfluß der Sowjetunion geprägt, die den Nationalismus und Panslawismus der tschechischen Intelligenz mißbrauchte. Die Sowjetunion und ihre kommunistische Ideologie wurden im Geiste der tschechischen nationalen Wiedergeburt dargestellt. In Wirklichkeit erfolgte eine machtideologische Okkupation der Tschechoslowakischen Republik, die dabei den östlichsten Teil seines Gebiets - die Karpatoukraine verlor

Der kommunistische Putsch im Februar 1948 traf die tschechoslowakische Gesellschaft völlig unvorbereitet. Politisch war die Gesellschaft dadurch paralysiert, daß in der Leitung der nichtkommunistischen Parteien kommunistische Agenten - de facto Agenten der sowjetischen Spionageabwehr - tätig waren. Die entscheidenden Regierungsposten - Verteidigung, innere Angelegenheiten, Landwirtschaft, Schulwesen, Propaganda ... - wurden von den Kommunisten beziehungsweise ihren Agenten besetzt. In dieser Situation erklärte die Kirche eine Zusammenarbeit mit einem totalitären Regime für unmöglich. Der Prager Erzbischof Josef Beran gehörte durch seine Einstellung neben den Kardinälen Stepinac in Kroatien und Mindszen-ty in Ungarn zu denjenigen Vertretern der Kirche, die die Einstellung von Papst Pius XII. gegenüber dem Kommunismus konsequent eingehalten haben. Auf die absagende Stellungnahme der katholischen Kirche reagierte das kommunistische Regime in der Tschechoslowakei mit grausamen Repressalien

In der Zeitspanne 1948 - 1968 wurden in den kommunistischen Gefängnissen und Zwangsarbeitslagern 70 Prozent der Geistlichen und 100 Prozent der Ordenspriester- und brüder gefangengehalten. Das Regime, das als erstes in der modernen Geschichte eine Abgeordnete - Dr. Milada Horáková - hinrichten Iieß, schreckte nicht einmal vor der Inhaftierung der Ordensschwestern zurück. Die Klöster, Kirchenschulen, Priesterseminare, Kirchenvereine und -institutionen wurden geschlossen. Neben der Kirche waren auch alle bedeutenden nichtkommunistischen Institutionen des Landes von den Repressalien betroffen. In den Gefängnissen und Konzentrationslagern befanden sich nicht nur Priester und Ordensbrüder, sondern auch Hunderttausende gläubiger Laien, die sich nicht nur innerhalb der Kirche, sondern auch in anderen Institutionen engagiert hatten, die ihre Stimme zum Protest erhoben. Sei es bei den Pfadfindern, bei Sportvereinen, dem Offzierskorps der tschechoslowakischen Armee oder in demokratischen Parteien. Gerade im Gefängnis fanden Tausende tschechische Intellektuelle erneut zur Kirche zurück

(wird fortgesetzt)

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 48 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 29.11.1998

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