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Aus der Region

Professor Friemel über Christsein in der Diaspora

Im Interview

Erfurt - Professor Dr. Franz Georg Friemel hat als Pastoraltheologe am Erfurter Philosophisch-Theologischen Studium über 20 Jahre die seelsorglichen Bemühungen in der ostdeutschen katholischen Diaspora wissenschaftlich begleitet. Jetzt hielt der Theologe seine Emeritierungs- und Abschiedsvorlesung zum Thema "Glaube in der Vereinzelung". Der Tag des Herrn sprach mit ihm:

Bischof Duka

Frage: Herr Professor, was läßt Christen in der Vereinzelung gläubige Menschen bleiben?

Professor Friemel: Vor allem der Glaube selbst. Je lebendiger jemand aus dem Wort Gottes lebt und am Glauben das Entscheidende sieht und von weniger wichtigen und manchmal auch unerfreulichen Aspekten in der Kirche zu trennen vermag, um so eher wird er froh an seinem Glauben festhalten. Außerdem spielt natürlich die Gemeinde beziehungsweise die christlich geprägte Gruppe eine Rolle, in der und mit der einer lebt. Letztlich ist Glaube aber eine persönliche Entscheidung

Frage: Gibt es noch andere Aspekte, die zum Beispiel die katholischen Christen in der DDR bestärkt haben, an ihrem Glauben festzuhalten?

Friemel: Kirche und Gemeinde waren in der DDR Orte des freien Wortes. Diese Erfahrung von Freiheit inmitten von Unfreiheit hat die Menschen trotz der kleinen Gemeinden in der Überzeugung bestärkt: Es ist gut, zur Kirche zu gehören. Es gab also eine zusätzliche Einsicht in den Wert des eigenen Glaubens. Man fühlte sich dadurch der sozialistischen Ideologie qualitativ überlegen. Genannt werden muß aber auch das starke Engagement der westdeutschen Katholiken für die Gemeinden in der DDR

Frage: Sie sagen selbst: Vermutlich wird die Vereinzelung von Christen noch zunehmen. Wie können Eltern ihre Kinder darauf vorbereiten?

Friemel: Ich frage mich öfter: Woran liegt es, daß die Kinder so mancher Familien als Erwachsene am Christsein festhalten, während sich andere von der Kirche abwenden? Kinder wachsen wohl am ehesten in den Familien zu gläubigen Menschen heran, in denen auch die Eltern praktizierende Christen sind und mit ihren Kindern über Fragen des Glaubens sprechen. Dies beginnt schon dort, wo nach der Sonntagsmesse über die Predigt gesprochen wird. Wesentlich ist aber noch etwas anderes: Kinder entwickeln am ehesten dort einen soliden Glauben, wo in der Familie nicht jede Verlautbarung aus Rom, jede Idee des Pfarrers oder jedes Gemeindeproblem zur Glaubensfrage gemacht, sondern durchaus kritisch begleitet wird - letztlich aber immer aus einem grundsätzlich positiv loyalem Verhältnis zur Kirche und zum Glauben

Frage: Was sollten die Gemeinden angesichts der Vereinzelung leisten?

Friemel: Die Angebote der Gemeinden sollten wirkliche Hilfen zum Leben geben. Dies gilt für Gottesdienste genauso wie für Jugendstunden oder einen Erwachsenenkreis. Zudem sollten evangelische und katholische Gemeinden soviel wie möglich gemeinsam tun. Interview: Eckhard Pohl

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 49 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 06.12.1998

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