Lampenfieber bis zum Schluß
Küster
Schon sein Großvater blies die Kerzen nach jedem Gottesdienst aus. - Daran kann sich Konrad Töpler noch ganz genau erinnern. Er war, wie sein Großvater, Küster, bis er im Sommer diesen Jahres in den Ruhestand ging. "Ich habe diesen Beruf sehr gern gemacht und mir immer Mühe gegeben", sagt Konrad Töpler über die insgesamt acht Jahre, in denen er für die Görlitzer St.-Jakobuskirche und das Kirchengelände zuständig war
Der einzige festangestellte Küster der Diözese Görlitz hatte zahlreiche Aufgaben, für die er sich verantwortlich fühlte: "Der Hauptteil meiner Arbeit bestand aus liturgischen Diensten. Vor den Gottesdiensten suchte ich je nach Tag und kirchlichem Fest die Lesungen heraus, holte die Kelche aus dem Tresor, stellte Wein, Wasser und die passenden Meßgewänder in der Sakristei bereit." Um Stolpern und Nähte-Reißen zu verhindern, mußte Töpler dabei auf die Größe der Zelebranten achten. Flexibilität war da nicht selten angesagt. Oft änderte sich die Anzahl der Priester. Manchmal wurde einer der Zelebranten krank, ein anderer sprang ein, der mitunter auch eine andere Lesung auswählte. Auf all das hatte Konrad Töpler zu achten. Er fühlte sich für die Vorbereitung verantwortlich und mußte sich dabei noch auf den Rhythmus und den Stil der Geistlichen einstellen. Während des Gottesdienstes feierte der Küster die Messen mit und las die Lesungen, vor denen er "trotz der langen Zeit" immer noch Lampenfieber hatte
Neben diesen liturgischen Diensten war der Küster handwerklich tätig. Auf dem Kirchengelände mußte der Rasen gemäht, der Hof gekehrt und der Komposthaufen kultiviert werden. Im Winter schaufelte er Schnee, und das ganze Jahr über erledigte er die vielfältigsten Reparaturen und Ausbesserungsarbeiten. Das fiel dem mittlerweile 63jährigen nicht sehr schwer. Schließlich war er von Haus aus Handwerker, genauer gesagt Glasermeister. Als die Bischofskirche 1980 umgebaut wurde, hatte Konrad Töpler nach Feierabend mitgeholfen, die alten Glasfenster zu reparieren
Ganz zu Anfang seiner Küsterzeit war dem Familienvater noch nicht klar, was mit dem neuen Beruf alles verbunden sein würde: Nur einmal im Monat ein freies Wochenende, sonntags arbeiten, und auch die Feiertage nie vollständig mit der Familie erleben können - doch Konrad Töpler war es wichtig, daß man sich auf ihn verlassen konnte. Mit der Zeit wurde der Beruf des Küsters für ihn zur Berufung
Auch zahlreiche Besucher bemerkten, daß er nicht nur das tat, was seine Aufgabe war: Da die Kirche nach einigen Diebstählen außerhalb der Gottesdienstzeiten geschlossen war, schloß der Küster für Interessierte die Kirche auf und nahm sich Zeit, ihnen über das Bistum Görlitz, bekannte Geistliche oder die Kirchengeschichte zu erzählen. Dem "Hüter des Hauses", wie er bei seiner Verabschiedung genannt wurde, bleiben viele schöne Erinnerungen an seine Küsterzeit. Am liebsten erinnert er sich an die großen, feierlichen Gottesdienste
Völlig gelöst hat sich Konrad Töpler von seinem Beruf noch immer nicht: "Wenn mein Nachfolger frei hat, springe ich gern noch einmal ein. Schließlich haben sich zu meiner Zeit auch immer Ehrenamtliche aus der Gemeinde gefunden, die mir ein freies Wochenende mit meiner Familie ermöglicht haben."
Katharina Funke
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 06.12.1998