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Bistum Magdeburg

Caritasdirektor Franz Peter Jorgol

Porträt

Zu DDR-Zeiten arbeitete er als Computerexperte bei Robotron, seit 1991 war er persönlicher Referent des Magdeburger Diözesan-Caritasdirektors Günther Brozek und absolvierte in dieser Zeit noch ein caritaswissenschaftliches Zusatzstudium in Freiburg. Franz Peter Jorgol ist seit 1. Februar Brozeks Nachfolger. Im Tag des Herrn- Interview sprach der neue Caritasdirektor, der am 8. Dezember seinen 50. Geburtstag feiert, über seine Pläne und bisherigen Erfahrungen

Frage: Der Caritasverband hat es sich zur Aufgabe gemacht, auf die jeweils aktuellen Nöte zu reagieren. Welche Notlage hierzulande macht Ihnen heute besonders viel Sorge?

Jorgol: Bei den vielen aktuellen Problemen fällt es mir nicht leicht, eine Hauptsorge zu benennen. Die hohe Arbeitslosigkeit ist äußerst bedrückend, besonders die Jugendarbeitslosigkeit. Sie führt zu fatalen Notlagen und birgt Sprengkraft für unsere Gesellschaft. Die Folgen sind unabsehbar. Ein Aspekt, der uns unmittelbar berührt, sind die Mindereinnahmen der Steuer- und Sozialkassen. Was dort fehlt, steht für einen sozialen Ausgleich und notwendende Hilfen nicht zur Verfügung. So erkennen wir immer breitere Bevölkerungsschichten, die an die Grenzen des Existenzminimums geraten. Ein noch gravierenderes Problem ist die verdeckte Armut

Frage: Was tut der Diözesanverband gegen Arbeitslosigkeit?

Jorgol: Unser eigenes Handeln in diesem Bereich ist nur exemplarisch möglich. Wir betreiben in Oschersleben seit Jahren eine Jugendwerkstatt für benachteiligte Jugendliche und mußten kürzlich ein ähnliches Projekt im "Gut Glüsig" bei Haldensleben wegen mangelnder Bewilligung von Fördermitteln aufgeben. Das Projekt in Oschersleben versuchen wir durch eine konzeptionelle Veränderung und Kooperation mit dem Kolpingbildungswerk Magdeburg zu erhalten. Über diese Partnerschaft sind wir froh, denn der Caritasverband kann und muß nicht alles allein tun. Als Diözesanverband und Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege in Sachsen-Anhalt ist es eine unserer vorrangigen Aufgaben, sozialpolitisch aktiv zu sein. Wir müssen Rahmenbedingungen fordern und mitgestalten, die zum Beispiel im Bereich der Arbeit ordentlich bezahlbare Beschäftigungsverhältnisse und im Bereich des Sozialen bedarfsgerechte Leistungen ermöglichen. Um das zu erreichen oder zu halten, arbeiten wir mit vielen Personen, Institutionen und Verbänden guten Willens intensiv zusammen

Frage: Der Caritasverband tritt auch als Arbeitgeber auf. Inwieweit setzen Sie selbst die Ansprüche um, die durch das Wirschafts- und Sozialwort der Kirchen aufgestellt worden sind?

Jorgol: In der Tat sind im Bistum Magdeburg etwa 3 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter dem Dach des Caritasverbandes hauptamtlich tätig. In allen Strukturen tragen die Dienstgeber eine soziale Verantwortung für ihre Mitarbeiter und sind unter anderem verpflichtet, nach dem Tarifwerk des Deutschen Caritasverbandes zu zahlen. Das ist durch festgeschriebene oder sogar reduzierte Leistungsentgelte bei steigenden Kosten so schwierig geworden, daß es in einigen Bereichen ohne Umstrukturierungen bis hin zu Entlassungen nicht weitergegangen wäre. Mit der Mitarbeitervertretung und den Mitarbeitern suchen wir nach Auswegen, sind bemüht, unvermeidbare schmerzliche Maßnahmen so menschlich und gerecht wie nur möglich durchzuführen und bereiten uns zugleich auf künftig vermutlich noch härtere Zeiten vor. Sparmaßnahmen der öffentlichen Hand, neue politische Vorgaben, geänderte Sozialgesetzgebung, teilweise ruinöser Wettbewerb und anderes mehr lassen uns noch größeren Veränderungsdruck erahnen. Wir sind offen für Modelle geteilter Arbeitsplätze. Befristete Arbeitsverträge und Änderungskündigungen sind heute bei uns leider keine Fremdworte mehr. Wichtig ist mir aber, daß wir nicht nur klagen. Wenn es uns nicht gelingt, die Bedingungen zu verbessern, müssen wir aus den vorhandenen Möglichkeiten das beste machen

Frage: Sie sind seit zehn Monaten Caritasdirektor. Mit welchen Zielen haben Sie dieses neue Amt angetreten?

Jorgol: Geändert haben sich meine Aufgaben und die Verantwortung, die Ziele nicht. Als Christen haben wir den Auftrag, ein Zeugnis von der Liebe Gottes zu jedem Menschen zu geben. Unser Dienst soll vorrangig die Ärmsten unterstützen, er soll erkennbar kirchlich sein und auf einem fachlich vorbildlichen Niveau erbracht werden. Dabei wollen wir auch die Gliederungen, korporativen Mitglieder und Fachverbände unterstützen. Darüber hinaus ist mir die Einheit von Pastoral und Caritas an allen Orten ein wichtiges Anliegen. Die Dekanatssozialarbeit, die in ganz besonderer Weise die Verbindung zwischen Caritas und Pastoral deutlich machen kann, wird Brückenfunktionen wahrnehmen

In den Pfarrgemeinden liegen die fruchtbaren Wurzeln der Caritas. Deshalb waren und sind uns die Tätigkeiten der Caritasgruppen in den Gemeinden, der Ehrenamtlichen, der Selbsthilfeinitiativen so wertvoll und unverzichtbar. Hier liegen noch Schätze, die es zu aktivieren gilt. Caritas besteht auch aus vielen Mitgliedern. Derzeit sind es im Bistum fast 2 500 Menschen, die dankenswerter Weise unsere Arbeit als Mitglieder durch Gebet, Beiträge oder andere Aktivitäten unterstützen

Frage: Sie haben einen Prioritätenausschuß eingesetzt, der die Schwerpunkte Ihrer Arbeit neu formulieren soll. Werden Sie sich von Aufgaben und Mitarbeitern verabschieden?

Jorgol: Der Prioritätenausschuß ist noch zu keinem Ergebnis gekommen, weil alle Arbeitsfelder eigentlich unverzichtbar sind. Alle derzeit unter dem Dach der Caritas erbrachten sozialen Leistungen dienen dem Menschen, sind wichtig und entsprechen unserem Leitbild. Dennoch müssen wir in dieser Umbruchzeit die einzelnen Aufgabengebiete hinterfragen und Schwerpunkte setzen, auch angesichts aktueller Entwicklungen und Nöte. Es kann sein, daß wir nicht mehr in der Lage sind, alles so wie bisher leisten zu können. Wenn es irgend geht, werden wir natürlich versuchen, die betroffenen Mitarbeiter mit anderen Aufgaben, die eine öffentliche Finanzierungsgrundlage haben, zu betrauen. Das heißt nicht, daß wir Neues beginnen, nur weil es dafür gerade eine Finanzierung gibt. Jedoch werden auch immer wieder Dienste nachgefragt, die einer Prüfung bezüglich unseres christlichen Auftrages standhalten. Derzeit haben wir uns für zwei neue Projekte mit den Arbeitstiteln "Schulsozialarbeit in Ballenstedt" und "Gemeinwesenarbeit in Magdeburg-Olvenstedt" beworben. Wir werden weiter aktiv sein, um auch in Zukunft unserem Auftrag und unserer Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitern gerecht werden zu können. Interview: D. Wanzek

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 49 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 06.12.1998

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