... am 3. Januar 1953
Damals ...
Eine heute eher ungewöhnliche Sammelform stellte der schlesische Priester Wilhelm Erben im Jahr 1953 unter der Überschrift "Mein Negerlein" vor:
Schon immer ging ich mit meiner Mutter gern zur Kirche, am liebsten jedoch zur Weihnachtszeit. Die ganze Adventzeit vorher freute ich mich, nicht so sehr auf die Krippe, sondern - auf den kleinen Neger. Um meine große Vorfreude richtig verstehen und beurteilen zu können, muß man bedenken, daß unser Neger eben nicht ein gewöhnlicher Neger, sondern ein ganz außergewöhnlich schöner Neger war. Meine Mutter erzählte mir: "Das Negerbüblein ist aus Afrika gekommen. Dort hat es durch den Missionar schon vom lieben Gott gehört und möchte jetzt auch das Jesuskind kennen und recht lieben lernen. Sein Vater aber ist ein böser Mann, der will es dem Missionar nur für 21 Mark verkaufen. Da ist das Büblein fortgelaufen und sitzt jetzt hier an der Krippe und bittet die katholischen Kinder, ihm doch zu helfen. Es bettelt nicht nur für sich, sondern auch für seine armen Brüder und Schwestern draußen im Heidenland."
Mit großen Augen guckte ich mir den kleinen Krauskopf an. Ganz schwarz war er, nur ein weißes Kleidchen hatte er an. Er saß auf einem Baumstumpf und hielt in seinem Schoß einen Hut. In seinem Arm steckte eine lange Stange, die oben ein breites Schild trug, auf dem stand: "Wir armen Heiden bitten sehr, o gib für uns ein Scherflein her."
Unser Neger gehörte auch zu den wenigen Menschen, die schon für die kleinste Gabe dankbar sind. Auch wenn man nur einen Pfennig hineinwarf, nickte er schon dankend mit dem Kopfe. Beim Zehnpfennig nickte er bedeutend tiefer. Ob er beim Fünfzigpfennigstück einen ganz tiefen "Bückling" machte, konnte ich nie herausbekommen, da mein höchstes Opferstück immer nur ein Zehnpfennigstück war. Er harrte jedes Jahr treu auf seinem Platze aus. Zu Mariä Lichtmeß besuchte ich ihn jedes Jahr noch einmal, denn am nächsten Tage trat er wieder seine Reise nach Afrika an. So hatte mir die Mutter erzählt. In der Nacht träumte ich dann von der Ankunft des Negers in Afrika, von der großen Freude der armen Heidenkinder über den großen Erlös des Hutes, und ich freute mich dann selbst mit, weil ich ja auch meine geopferten Pfennige dabei hatte. Als ich dann später Ministrant war und dem Glöckner bei dem Aufstellen der Krippe helfen durfte, da trug ich am liebsten den Neger. Jedes Jahr kehrte er wieder, auch im schlimmen Jahr der Inflation 1923. Er hatte nicht an die kommende Inflation gedacht und sich denselben bescheidenen kleinen Hut mitgebracht wie in der Vorkriegszeit. Jetzt gingen die großen Scheine, auch wenn sie noch so sehr gefaltet wurden, nicht mehr zur Öffnung hinein. Da mußten wir die Öffnung erweitern. Der Krauskopf aber wußte genau, daß diese Papierfetzen keinen Wert hatten. Er dankte auch nicht bei einem einzigen. Dieses Jahr dagegen dankt er wieder jedem für die kleinste Gabe. Möchte er doch recht oft nicken müssen, denn unsere armen Heidenkinder bedürfen der Hilfe gar sehr. Zum Schluß möchte ich noch etwas erwähnen. Warum muß denn der Neger das ganze Jahr von Lichtmeß bis Weihnachten in der Sakristei verstauben? Könnte er denn nicht einen "einnehmenden" Platz finden im Pfarrhaus, im Pfarrbüro, im Heim? Merkt euch, bitte, alle das Sprüchlein, das unser Negerlein in der Hand hielt: Wir armen Heiden bitten sehr, o gebt für uns ein Scherflein her!
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 06.12.1998