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Aus der Region

Hunger und Armut - Ordensschwestern versuchen zu helfen

Omsk/Sibirien

Gemeinsam mit fünf anderen Ordensschwestern lebt die Erfurter Franziskanerin Maria Elisabeth Jakubowitz in der sibirischen Stadt Omsk. Den Menschen in Sibirien fehlt es am Nötigsten. Kleidung und Nahrung sind knapp. Und die Temperaturen in Omsk liegen unter dem Gefrierpunkt. Die Angst der Menschen vor dem Winter ist groß

Alles scheint nur groß und weit und riesig zu sein: die Entfernungen, die Flüsse, Seen, Felder, Städte - und die Not. So beschrieb eine holländische Besucherin ihre Eindrücke während einer Fahrt durch Sibirien

Eine solche große Not fand auch Schwester Maria Elisabeth Jakubowitz von den Erfurter Armen-Schwestern des heiligen Franziskus vor, als sie im Mai 1995 nach Westsibirien kam. Zusammen mit fünf Schwestern der Missiona-rinnen Christi aus München lebt sie in Omsk, der Hauptstadt des gleichnamigen Bezirkes, 1000 Kilometer hinter dem Ural. Mit Schwester Juliane Lintner leitet sie die Caritas-Arbeit. Gemeinsam mit vielen, zum Teil ehrenamtlichen Helfern versuchen die Ordensfrauen seit nunmehr dreieinhalb Jahren, soziale Projekte aufzubauen. Das Gebiet des Bistums Omsk, das sie betreuen, ist etwa so groß wie Deutschland. Der nördlichste Gottesdienstort der Pfarrei der Hauptstadt liegt 700 Kilometer entfernt von der Stadt und ist aufgrund der Straßenverhältnisse nur zu bestimmten Jahreszeiten zu erreichen

Schwester Maria Elisabeth hatte sich auf viel Not eingestellt, aber nicht in dem Ausmaß, in dem sie sie vorfand. "Wir haben eigentlich nicht erwartet, daß uns so viel Hunger begegnet", erzählt sie. "Bei den Obdachlosen haben wir damit gerechnet. Das war uns klar. Aber daß so viele Familien, so viele Kinder, so viele Rentner davon betroffen sind, nicht jeden Tag etwas zu essen zu haben, damit haben wir nicht gerechnet." Über 70 Prozent der Menschen in Omsk lebten in den letzten Jahren unterhalb der Armutsgrenze

Das Lebensmittelangebot ist sehr groß. Es gibt frisches Obst in allen Sorten, Fleisch, Wurst, sogar Eiscreme. Westeuropäische Produkte liegen in den Regalen. Aber alles ist sehr teuer und noch immer steigen die Preise für Lebensmittel und andere Waren. Ein Großteil der Bevölkerung kann sich keine ausreichende Nahrung leisten, geschweige denn neue Kleidungsstücke. Die Arbeitslosenrate liegt bei über 50 Prozent. Doch auch den Menschen, die Arbeit haben, geht es oftmals kaum besser, da sie monatelang keine Gehälter bekommen. Die alten Leute warten lange Zeit auf ihre Rentenzahlungen

Den Krankenhäusern fehlt es am Notwendigsten. Medizinische Gerätschaften und Wäsche stehen genauso auf der Bedarfsliste wie Medikamente. Zudem sind die Kinderheime und viele Kinderstationen total überlastet, weil Mütter ihre kranken oder schwachen Neugeborenen dort lassen. Ein Großteil dieser Kinder erlebt das erste Lebensjahr im Kinderbett einer Krankenhausstation. Deren Lebensbeginn verläuft oft ohne mütterliche Liebe und Verbindung zur Außenwelt. Die Kinderheime, in die die meisten von ihnen dann nach einem Jahr kommen, sind für viele der Kinder der Ort, wo sie zum ersten Mal mit der Außenwelt in Kontakt kommen, andere Menschen, Natur und Sonnenschein kennenlernen

In Kindergärten und Schulen mangelt es an Arbeitsmaterialien. Viele Mädchen und Jungen sehen nach einem Hilfstransport zum ersten Mal Buntstifte

Wohin die Schwestern auch kommen, immer wieder treffen sie auf Menschen, denen Kleidung und Schuhe fehlen. Eines der ersten Projekte, das die Ordensfrauen in Angriff nahmen, war die Errichtung einer Kleiderkammer. Seit Dezember 1995 bietet sie Bedürftigen die Möglichkeit, zweimal im Jahr zwei bis drei Stück Kleidung, Wäsche oder Schuhe zu bekommen. Für Kinder gibt es noch zwei Stück Wäsche mehr. Da sich die Vorräte im Kleiderlager oft sehr rasch lichten, müssen Datum und ausgegebene Bekleidung von den Angestellten registriert werden. Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit ist eine Straßenambulanz für Obdachlose. Seit dem Frühjahr 1998 fahren eine Krankenschwester und zwei weitere Mitarbeiter in einem aus Deutschland gespendeten Kleinbus regelmäßig die wichtigsten Aufenthaltsorte der Obdachlosen in Omsk an. Die Krankenschwester sorgt für eine ambulante medizinische Betreuung. Außerdem kann hier jede Person eine Schmalz- oder Speckschnitte und einen Becher Tee bekommen. Während im Juli noch zirka 70 Personen pro Tag und Stellplatz kamen, sind es momentan 500. Dabei ist für die Mitarbeiter erschreckend, wieviele Kinder - offensichtlich aus intakten Familien - sich am Bus Essen holen, weil die Gehälter der Eltern nicht zur Ernährung ausreichen

Die Ordensfrauen begannen, Hilfstransporte zu organisieren. Dank großer Unterstützung aus Deutschland konnten viele medizinische Gerätschaften, Arznei und Spielsachen an Krankenhäuser und Kindereinrichtungen weitergegeben werden. Auch die Caritas im Bistum Erfurt beteiligt sich mit ihrer gegenwärtigen Adventsaktion am Transport vonLebensmitteln und wärmenden Decken

Mit den Jahren haben die Schwestern ihre sozialen Dienste ausgebaut. So arbeiten sie mittlerweile mit 16 Mitarbeitern auf Teilzeit und Honorarbasis und 15 ehrenamtlichen Mitarbeitern an sieben verschiedenen Projekten. Zusätzlich unterstützt die Caritas Krankenhäuser, verschiedene Heime, Schulen, Berufsschulen, ein Beratungszentrum und das Jugendgefängnis Omsk

Die Hilfe umfaßt neben der Kleiderkammer und der Straßenambulanz auch eine Stelle, wo alte Brillen aus Ostdeutschland an Bedürftige weitergegeben werden. In einer Nähgruppe stellen vier ehrenamtliche Mitarbeiterinnen Kleidung für Kinder und Rentner her. Außerdem werden hier Zuarbeiten für die Kleiderkammer gemacht. Es gibt einen Besuchsdienst in Entbindungskliniken. Frauen kümmern sich um zurückgelassene Kinder, spielen mit ihnen, lesen Geschichten vor, singen oder gehen mit den Kleinen spazieren. Die Caritas veranstaltet Ehevorbereitungsseminare und unterhält Beratungsstellen. Die Schwestern wirken in einem Hospiz mit, dessen Einrichtung die Caritas selbst gestellt hat

Dank vieler Spenden aus Deutschland konnte so während der vergangenen Jahre an vielen Stellen Hilfe geleistet werden. Und trotzdem ist die Not in Sibirien weiterhin groß

Schwester Maria Elisabeth erzählt, daß gerade jetzt viele Menschen Angst haben vor dem kommenden Winter. Die Erwartungen von Temperaturen um minus 40 Grad sind für die Bevölkerung genauso bedrohlich, wie die Folgen der schlechten Ernte. Durch viel Hitze und Trockenheit im letzten Sommer sind große Teile an Getreide, Kartoffeln und Kraut, den täglichen Nahrungsmitteln, verdorben. Mit Geldspenden wäre der Caritas vor Ort und den sibirischen Menschen am besten geholfen, weil der Wechselkurs günstig ist und das Transportrisiko so ausgespart wird. Zudem könnte beispielsweise Schulbedarf bei russischen Händlern gekauft werden, die so ihre Familien ernähren und Steuern zahlen können. Diese Steuern kämen dann den überlasteten Kommunen zur Hilfe. Wer die Arbeit der Omsker Schwestern unterstützen will, kann sich wenden an die Franziskanerinnen im Mariensstift, Hopfengasse 8, 99084 Erfurt, Tel.: 0361/ 56590-0

Juliane Hutmacher

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 50 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 13.12.1998

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