Leib und Seele aufwärmen im Haus "Mutter Theresa"
Obdachlosencafé Magdeburg
Magdeburg (dw) - Bei den Caritas-Frauen ist für Gerwald Arndt "beinahe ein Zuhause". Seit einiger Zeit war der 45jährige regelmäßiger Gast in der Suppenküche des Caritas-Stadtverbandes gegenüber der St.-Sebastian-Kirche. Am 2. Dezember nahm er an der Einweihung des neuen Obdachlosencafés im Jugend- und Sozialzentrum "Mutter Theresa" teil, das die provisorische Suppenküche im Stadtzentrum ablösen soll. Als die Kinder des Magdeburger Kindergartens St. Sebastian einige Adventslieder für die Gäste der Eröffnungsfeier sangen, leuchtete ein verschmitztes Lächeln auf seinem Gesicht
Ein richtiges Zuhause hat Gerwald Arndt schon seit einigen Jahren nicht mehr. Damals verliebte sich seine Frau in einen anderen Mann, er selbst verlor seine Arbeit als Kraftfahrer. Ein Übernachtungshaus für Obdachlose wurde zu seinem regelmäßigen Schlafdomizil. Um 8 Uhr muß er das Haus verlassen haben, um 16 Uhr erst kann er wieder hinein. Im Winter empfindet er das manchmal ganz schön hart. Er verbringt die Zeit, indem er durch Einkaufszentren streift, seine Ex-Frau an ihrem Getränkestützpunkt besucht oder sich in der Obdachlosen-Einrichtung der Caritas aufwärmt, dort eine Tasse Kaffee trinkt oder für eine Mark ein warmes Mittagessen zu sich nimmt. Von 10 bis 19 Uhr ist das Obdachlosencafé am rechten Elbufer geöffnet, samstags und sonntags von 9 bis 13 Uhr. Gerwald Arndt hat die neue Einrichtung nicht gleich auf Anhieb gefunden. Als er die freundlichen frisch renovierten Räume dann betrat, hat er sich gefreut, viele seiner alten Bekannten aus der Suppenküche wiederzutreffen, allen voran sein "Muttchen", wie er die Caritas-Mitarbeiterin Gerda Müller gerne nennt. Auch Ralf Wiese hat die mütterliche Frau ins Herz geschlossen. "Wenn ich mich auch mit allen anderen zerstritten habe, zu ihr kann ich immer kommen", sagt der streitlustige junge Mann
Adelheid Bornholdt, die Leiterin des Obdachlosencafés und der ökumenischen Bahnhofsmission der Stadt Magdeburg, ist gespannt, wie das neue kirchliche Angebot für Bedürftige angenommen wird. Es liegt zwar weniger zentral als die alte Suppenküche, die am Tag durchschnittlich von 30 bis 40 Gästen besucht wurde
Dafür bietet es einen anderen Vorteil: Im Jugend- und Sozialzentrum "Mutter Theresa" ist zugleich auch eine Kleiderkammer untergebracht und das Kolpingbildungswerk, das unter anderem das Essen für das Obdachlosencafé liefert. Von Januar an möchte Frau Bornholdt hier zudem regelmäßige Beratungszeiten für Obdachlose anbieten
Sie hofft, daß das neue Café auch von den Jugendlichen angenommen wird, die seit einiger Zeit die Bahnhofsmission als Anlaufstelle nutzen. Im offenen Jugendtreff des Hauses "Mutter Theresa" wären sie ihrer Ansicht nach besser aufgehoben als auf dem Bahnhof
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 13.12.1998