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Bistum Magdeburg

Die alte Kirche neu entdecken

Wie kann Kirche heute missionarisch sein

Entdeckungsreise in einer alten Kirche Mühlberg (mh) - In einer Kirche gibt es viel zu entdecken: Figuren, Bilder, Inschriften, Grabplatten … Auch die im 13./14. Jahrhundert errichtete Klosterkirche Marienstern in Mühlberg an der Elbe ist voll von solchen Schätzen. Versehen mit einem Fragebogen sind 50 Jungen und Mädchen, Muttis und Vatis in der alten Kirche unterwegs -auf Entdeckungsreise. Sie schauen an die Decke, betrachten sich die Fenster und Bilder ganz genau, ertasten eine Figur, die unter einem Tuch verborgen ist. Und wenn sie die Fragen im Wettstreit um die beste Baumeisterfamilie beantwortet haben, können sie vor der Kirche ihre handwerklichen Fertigkeiten ausprobieren -als Steinmetz oder im Klostergarten, beim Gestalten von Fensterbildern, beim Töpfern oder Wachsgießen.
Bereits zum zweiten Mal haben die katholische und die evangelische Gemeinde von Mühlberg die Familien der Region an einem Samstagnachmittag zu dieser Erlebnisreise eingeladen. Und gekommen sind bei weitem nicht nur Familien aus den Pfarrgemeinden. "Viele sehe ich heute zum ersten Mal", sagt Pater Ansgar Leo, einer der beiden Claretiner, die seit Mai letzten Jahres in Mühlberg sind. Genau das ist das Anliegen dieser Erlebnisnachmittage und ähnlicher Aktionen: "Wir haben uns gefragt, wie wir den Menschen, die sonst nichts mit Kirche zu tun haben, Geschmack für diese wunderschöne, alte Klosterkirche machen können", berichtet Pater Ansgar.
Als erste Idee entstand daraus vor einem Jahr eine abendliche Kirchenführung. Eigentlich sollte es eine einmalige Sache werden, doch wegen der großen Nachfrage fand sie inzwischen zum dritten Mal statt. Die ganze Kirche erstrahlt im Licht von fast 1000 Teelichtern, während die rund 200 Besucher an sieben Punkten in der Kirche Station machen, etwas über die Geschichte oder ein Kunstwerk erfahren und dann einen meditativen Text hören. "Wir wollen den Menschen damit das Gebäude näher bringen und einen Bezug zu ihrem persönlichen Leben herstellen." Zum Beispiel, wenn sie sich einen Grabstein ansehen, geschichtliche Zusammenhänge erfahren und anschließend einen meditativen Text über Leben und Tod hören. Pater Ansgar: "Es geht uns nicht nur um nüchterne Daten, sondern darum, etwas von dem zu vermitteln, was Kirche ist. Und unsere gotische Kirche bietet sich dafür geradezu an. Die Idee der Gotik ist es ja, den Himmel auf die Erde zu bringen." Die kindgemäße Weiterentwicklung dieser Kirchenführungen waren dann die Erlebnisnachmittage am Samstag. "Die Kinder können spielerisch die Kirche entdecken, etwas lernen und vielleicht auch etwas für ihr Leben mitnehmen", hofft Pater Ansgar.

Welchen Erfolg er und seine Mitstreiter damit haben, kann Pater Ansgar nicht sagen. Doch positive Resonanz gibt es: Das große Interesse zeigt, dass die Ideen angenommen werden. Auch lobende Worte hört man in der kleinen Stadt. Pater Ansgar: "Viele Menschen sind froh, dass das Kloster endlich einer neuen Nutzung zugeführt wird." Zurzeit laufen die Verhandlungen zum Abschluss eines Nutzungsvertrages, denn die Kirche gehört der Stadt. Ein bisschen stolz ist Pater Ansgar auf ein Lob der Bürgermeisterin, die ihm gesagt habe: "Seit Sie hier sind, ist in den Ort eine neue Freundlichkeit eingezogen." Freilich melden sich auch Kritiker nach dem Motto "Jetzt kommen die und nehmen uns unsere Kirche weg". "Das müssen wir sehr ernst nehmen und uns argumentativ damit auseinandersetzen", sagt Pater Ansgar. Um so ernster, da der kleine Konvent noch andere Ideen hat: In einem der ehemaligen Klostergebäude soll ein geistliches Zentrum entstehen, das "bewusst missionarisch ausgerichtet ist". Es soll auch für Veranstaltungen über den binnenkirchlichen Raum hinaus genutzt werden.

Bis es soweit ist, wird es noch eine Weile dauern. Doch an Ideen für die Zwischenzeit mangelt es nicht: Demnächst sind junge Leute eingeladen, eine Woche im Pfarrhaus mitzuleben. Und in der Adventszeit wird es am Samstagnachmittag einen "Ruhepunkt" geben. Pater Ansgar: "Wer will, kann sich hier Zeit nehmen -für sich selbst, zum Gespräch und zum Gebet."

Viel wird in der katholischen Kirche in Ostdeutschland zurzeit darüber nachgedacht, wie sie ihren missionarischen Auftrag wahrnehmen kann. "Es herrscht häufig eine große Ratlosigkeit", meint Pater Ansgar. Und: "Alle Prognosen für die Zukunft der Kirche hierzulande verheißen nichts Gutes." Und trotzdem sei es wichtig, die kleinen Schritte zu lernen, denn "ich glaube, in jedem Menschen ist eine Sehnsucht da - nicht gleich die nach einer bestimmten Kirchlichkeit, aber nach einem Gegengewicht, einem Gegenbild zum Alltag." Und das macht ihm Hoffnung.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 42 des 51. Jahrgangs (im Jahr 2001).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 19.10.2001

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