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Aus der Region

Immer noch mit Maffersdorf verbunden

Spenden-Aktion

Marie Hübner ist Maffersdorfer Pfarrkind, wie sie sagt. Heute lebt die 77jährige in Dingelstedt bei Halberstadt. Hierher kam sie 1946. Trotz Vertreibung aus dem Sudetenland fühlt sie sich noch immer ihrem Heimatort Maffersdorf-Proschwitz und ihrer einstigen Pfarrei im heutigen Vratislavice verbunden. Der Tag des Herrn besuchte Frau Hübner im Zusammenhang mit seiner Advents-Aktion für die Kapelle in Liberec-Vratislavice (Reichenberg-Maffersdorf)

Dingelstedt / Maffersdorf / Vratislavice - "Von Proschwitz nach Maffersdorf war es eine halbe Stunde zu laufen, wenn Schnee lag, dauerte es noch etwas länger. Die Christmette am Heiligabend begann um 18.00 Uhr in der Maffersdorfer Heimatkirche. Da mußten wir uns ganz schön sputen, um pünktlich zu sein. Nach der feierlichen Messe sind wir nach Hause gegangen. Hier war Bescherung und Abendessen. Am nächsten Tag, dem ersten Weihnachtstag, sind wir zum Hochamt wieder nach Maffersdorf gelaufen. Ich habe mit im Kirchenchor gesungen. Es war sehr festlich."

Marie Auguste Hübner ist sehr bewegt, wenn sie aus ihrer alten Heimat erzählen soll. Als erste von fünf Töchtern der Land-wirtsfamilie Ernst und Auguste Hübner aus Proschwitz, Kreis Gablonz, geboren, hat die heute 77jährige bis zu ihrem 25. Lebensjahr im Sudetenland gelebt. Sie kennt die Dreifaltigkeits-Pfarrei Maffersdorf, heute Vratislavice, gut und ist drei Jahre in die Maffersdorfer Mittelschule gleich neben dem Pfarrhaus gegangen. "Deshalb freue ich mich darüber, daß die Tag des Herrn-Adventsaktion unsere Heimatpfarrei unterstützt und das in Maffersdorf seit 1990 wieder eine lebendige katholische Gemeinde wächst", sagt Frau Hübner. Durch die Vertreibung kam sie mit ihrer Familie nach Dingelstedt bei Halberstadt und gehört heute zur Pfarrei St. Mariä Himmelfahrt Huysburg

"Wir sind viel in der Heimatkirche gewesen", erinnert sich die 77jährige. "Jeden Sonntag sind wir zur Kirche gegangen, aber auch zu den Fastenpredigten und Maiandachten. Und selbst am Tag unserer Vertreibung war ich noch mal in der Kirche." Ein besonderer Höhepunkt im Jahr seien immer die Fronleichnamsprozessionen gewesen, erinnert sich die 77jährige. "Zu Fronleichnam hatten die Mädchen den Jungen etwas voraus. Wir Mädchen durften dann Streuengel sein. Tage vorher haben wir im Garten und auf den Wiesen blaue Vergißmeinnicht und gelbe Sumpfdotterblumen gepflückt und sie im Wasser frisch gehalten. Am Fronleichnamsfest haben wir dann unsere weißen Kleider angezogen und während der Prozession Blumen gestreut." Vor 1938 habe der Prozessionsweg von der Kirche zum Günthel-Klempner, zum Kino, an der Neiße entlang zur Kastanienallee an der Spinnerei vorbei und dann den Kirchberg wieder hinauf zur Kirche geführt. Später durfte das dann nicht mehr sein

Gern erinnert sich Frau Hübner auch an ihren Religionslehrer Rat Karl Sommer. "Der Sommer-Pater, wie er genannt wurde, war nicht nur ein guter Katechet, sondern auch ein guter Seelsorger", sagt Frau Hübner. Sonntags von neun bis zehn Uhr konnte man bei ihm in der Wohnung Bücher ausleihen. Dadurch kam er mit vielen in Kontakt

1918 hatte der junge Priester den Katholischen Volksbund gegründet. Nach und nach waren Familien-, Jugend- und Kindergruppen im Rahmen dieses Vereins entstanden. Einmal im Monat am Donnerstag fand für die Erwachsenen ein Vortrag zu allgemeinbildenden, medizinischen, politischen oder sozialen Fragen statt. An den anderen Donnerstagen hatten die Jungen und die Mädchen im Wechsel ihren Abend. Es gab auch eine Theatergruppe. Höhepunkte im Jahr waren die großen Festveranstaltungen zu Ostern, Peter und Paul und Weihnachten mit Konzert, Festrede und Theaterspiel. Rat Sommer selbst dirigierte die aus bis zu 40 Männern bestehende eigene Musikkapelle des Volksbundes in Maffersdorf. Außerdem gab es einen Volksbund-Ball zu Fasching und im Sommer einen Ausflug

Eine wichtige Rolle für die vertriebenen Maffersdorfer hat später über Jahre der selbst aus dem Neiße-Ort stammende Priester Josi Augst gespielt. "Jedes Jahr bekamen wir einen Weihnachtsbrief von ihm", erinnert sich Marie Hübner. Weil Pfarrer Augst zwei Jahre im Konzentrationslager Dachau war, durfte er nach dem Krieg in der Tschechoslowakei bleiben und ging erst 1956 nach Westdeutschland. Am 8. April 1945 aus dem KZ zurückgekehrt, übernahm er nach der Ausweisung von Dechant Peter Bichler die Seelsorge in den verwaisten Pfarreien der Gegend. Er kümmerte sich intensiv um die bei ihrer Vertreibung zunächst in Lagern internierten Deutschen. In Westdeutschland sammelte Augst später Geld, so daß in den 80er Jahren das Dach der Maffersdorfer Kirche saniert werden konnte

Noch immer stehen 700 Maffersdorfer durch Ortsbetreuerin Inge Schwarz (Kempten) in guter Verbindung. Marie Hübner unterhält bis heute herzliche Kontakte zu einer Maffersdorferin, die in Vratislavice lebt: Hilde Beutelová. Gerade gestern hat sie von ihr einen Weihnachtsgruß aus dem verschneiten Böhmen bekommen. Eckhard Pohl

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 52 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 27.12.1998

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