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Bistum Dresden-Meißen

Bitten an der Krippe

Weihnachtsbotschaft des Bischofs

In der Oper "Saint François d' Assise" (Deutsche Erstaufführung in der Leipziger Oper) läßt Olivier Messiaen, der Komponist, Franziskus singen: "Herr Jesus Christus, gewähre mir zwei Gnaden, bevor ich sterbe! Die erste: Daß ich in meinem Körper jenen Schmerz verspüre, den du in der Stunde deiner qualvollen Passion ertragen hast. Die zweite: Daß ich in meinem Herzen jene Liebe verspüre, von der du erfüllt warst, jene Liebe, die dich die Passion auf dich nehmen ließ für uns Sünder"

Weil Krippe und Kreuz fast dasselbe sind, könnten wir zwei ähnliche Weihnachtsgnaden erbitten, bevor wir sterben. Die erste: Herr Jesus Christus, laß mich der Hinfälligkeit und Begrenztheit meines menschlichen Körpers bewußt werden, die du als Gott liebend angenommen hast für uns. Die zweite: Laß mich in meinem Herzen jene Liebe erspüren, von der du erfüllt warst, als du in unsere Armseligkeit herabgestiegen bist. Warum diese beiden Bitten an der Krippe?

Wer die befreiende Kraft des Auferstehungsglaubens schon jetzt erfahren will, muß zu einer ernüchternden Wirklichkeit unseres Menschseins stehen: Sobald mein Leben in dieser Welt beginnt, geht es auf das Ende zu. Unaufschiebbar. Diese Wirklichkeit versuchen viele aus ihrem Bewußtsein zu verdrängen. So tun die meisten von uns so, als hätten sie hier auf Erden ein ewiges Leben. Diese Selbstlüge bringt die Täuschung zuwege, wir bräuchten keinen Gott. Dem Todsicheren des Todes ins Auge schauen, macht ehrlich und läßt uns offen sein für die Gnade des Glaubens. Daß nun Gott selbst herabstieg, um diese aus der Sünde kommenden Grenzen für sich als Mensch zu akzeptieren und zu durchleiden, ist das Geheimnis der Weihnacht. Da sind wir am Kernpunkt des Mysteriums der Heiligen Nacht. Nur weil in seinem Tod der Tod besiegt wird, können wir mit Paul Gerhardt singen: "Ich steh an deiner Krippe hier ... Ich lag in tiefster Todesnacht, du warest meine Sonne, die Sonne, die mir zugedacht Licht, Leben, Freud und Wonne"

Die zweite Gnadengabe kann uns dann etwas erahnen lassen von der göttlichen Liebe, die im Vater wie im Sohn zu uns Menschen so stark brennt, daß sie auch den harten Sünder nicht kalt lassen kann. Bitten wir um diese Liebe, dann bitten wir um den Heiligen Geist selbst. Wird er uns gegeben, dann lebt der Christus von Betlehem in uns. Ist er in uns, dann wird der himmlische Vater uns umarmen wie kein Mensch das kann. Und bei ihm haben wir ewiges Leben. Nur zwei Bitten und er gibt alles!

Bischof Joachim Reinelt

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 52 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 27.12.1998

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