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Bistum Görlitz

Das Kind von Betlehem

Weihnachtsbotschaft des Bischofs

Liebe Lesergemeinde!

Es war in den 70er Jahren, als ich meine erste Romreise machen konnte. Mein Bischof, den ich begleitete, schenkte mir viel freie Zeit, die ich gern nutzte, um mich in der Ewigen Stadt und ihrer weiteren Umgebung umzuschauen. So besuchte ich auf dem Weg nach Assisi das schöne Rietital, in dem sich der heilige Franz so gern aufgehalten hatte

Mich zog es vor allem nach Greccio, denn dort, in einer nahegelegenen Felsenhöhle, die als Einsiedelei benutzt wurde, geschah jenes wundersame Ereignis, dem wir unsere Krippenverehrung verdanken

Nach sicherer Überlieferung ließ Franziskus zur Erinnerung an die Geburt Christi in dieser engen Klause eine Krippe bereiten, beschaffte sich Stroh von einem armen Bauern und lieh sich von ihm auch einen Ochsen und einen Esel aus

In der Heiligen Nacht rief das Glöcklein die Leute aus dem Tal herauf in die Höhle, die nun der wahrhaftige Stall von Betlehem war. An einem kleinen Steinaltar assistierte der Poverello als Diakon dem Priester bei der Mitternachtsmesse. Wie er dies tat, hat uns sein Chronist Thomas von Celano auf lebendige Weise aufgezeichnet. Wir können dort lesen:

"Franziskus sang mit wohlklingender Stimme das Evangelium. Danach predigte er mit herrlichen Worten, die wie ein Strom dahinflossen, über die Geburt des armen Königs in der Stadt Betlehem. Wenn er den Namen Jesus aussprechen wollte, nannte seine brennende Liebe ihn oft ,Kind von Betlehem'. Und wenn er ,Betlehem' sagte (wahrscheinlich dehnte er dabei die erste Silbe), hörte es sich wie das Blöken eines Schafes an. Die Freude, die dieser Name ihm einflößte, nahm ihm fast den Atem

Sprach er die Namen ,Betlehem' und ,Jesus' aus, dann leckte er mit seiner Zunge die Lippen, so als ob er tastend genoß und die süßen Worte in sich hineinsog."

Das ist der heilige Franz wie er leibt und lebt, unnachahmlich in seiner Innigkeit der Christusliebe. Paul Gerhardt hat dies in seinem bekannten Krippenlied nachempfunden: "Ich sehe dich mit Freuden an und kann mich nicht satt sehen; und weil ich nun nichts weiter kann, bleib ich anbetend stehen"

Daß uns beim Anblick des "Kindes von Betlehem" das Herz warm werde und wir spüren, wie sehr Gott uns liebt, sei mein Segenswunsch an alle Leser des Tag des Herrn

Ihr Bischof Rudolf Müller

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 52 des 48. Jahrgangs (im Jahr 1998).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 27.12.1998

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