Jetzt 4 Wochen kostenfrei Tag des Herrn lesen!
Bistum Erfurt

Eine Ziege als Gabe zum Erntedank

Nigeria

Küllstedt / Makurdi (rh/tdh) - Seit 1994 ist der nigerianische Priester Terwase Akaabiam regelmäßiger Gast in der Küllstedter Pfarrei "St. Georg und Juliana". Immer wieder hat der Doktorand an der Jesuiten-Hochschule St. Georgen in Frankfurt (Main) während der Ferien auch den Küllstedter Pfarrer Richard Hentrich vertreten. Ende vergangenen Jahres war der aus der nigerianischen Diözese Makurdi stammende Afrikaner gleich acht Wochen lang im Eichsfeld als Seelsorger tätig. Zeit dafür hatte er allemal, da er auf den Abschluß seines Promotionsverfahrens, die Verteidigung seiner Doktorarbeit wartete - Gelegenheit für Pfarrer Hentrich, in das am Golf von Guinea gelegene mittelafrikanische Nigeria zu reisen. "Während sich Terwase Akaabiam in liebevoller Weise um die Menschen in Küllstedt kümmerte und die Gläubigen mit den Besonderheiten der Kirche Afrikas vertraut machte, konnte ich die Diözese Makurdi kennenlernen", erzählt Pfarrer Hentrich.

Zu einem Höhepunkt des Wirkens von Terwase Akaabiam in der Küllstedter Pfarrei wurde ein vom Kirchen- und vom Kinderchor gestalteter afrikanischer Gottesdienst am ersten Advent. Dabei wurde getanzt, geklatscht und gesungen, wie es in Nigeria üblich ist. Gleiches erlebte an diesem Sonntag Pfarrer Hentrich in der "Our Lady of Perpetua Help Cathedrale" von Makurdi, wo die Gläubigen das Erntedankfest begingen. "Der erste Advent 1998 wird mir wohl ewig in Erinnerung bleiben", erzählt Pfarrer Hentrich. "Ohne den vertrauten Adventskranz, ohne Kälte und Schnee und ohne die beliebten Adventslieder erlebte ich eine beeindruckende Feier des Erntedankfestes. In einer über zwei Stunden dauernden Dank-Prozession brachten Gemeindegruppen tanzend ihre Gaben zum Altar." Daß unter den Dankesgaben neben Hühnern, Jamfrüchten und Eiern auch eine Ziege in die Kathedrale geführt wurde, war völlig normal. "Die weit über 1000 Gläubigen waren begeistert, als ich in der Sprache des Tiv-Stammes das ,Halleluja. Preiset den Herrn' mit dem ,Wese ne ter' anstimmte."

Jeden Sonntag besuchte Pfarrer Hentrich eine andere Gemeinde. Dabei lernte er auch die sogenannten "Stationen" der Pfarreien kennen. Um dorthin zugelangen, war er mit den einheimischen Seelsorgern oft über holprige Wege und durch fast unwegsames Gelände zu den "Kirchen im Busch" unterwegs.

"Überall fanden wir begeisterte Gemeinden vor, die in ganz einfachen Kirchen aus Bambusstangen, einem Grasdach gegen Sonne und Regen und Baumstümpfen als Sitzgelegenheiten zum Lob Gottes zusammenkommen. Selbst in den entferntesten Stationen trafen wir Kirchenleiter, Meßdiener, Lektoren, Sänger und Chöre an, die die Gottesdienste mitgestalten." Die Priester haben meist sehr weiträumige Gebiete zu betreuen. Katechisten und Helfer unterstützen sie dabei. Da Pfarrer Hentrich im Bischofshaus von Makurdi Gast war, lernte er viele der 153 meist jungen Seelsorger kennen, die mit Bischof Athanasius Usuh in der Diözese des Bundesstaates Benue die Last des kirchlichen Aufbaus tragen. "Besonders beeindruckt hat mich eine Firmung, bei der ich dem Bischof helfen durfte, den 1250 Firmlingen das Sakrament der Stärkung zu spenden", erzählt Hentrich

In der Benue-Niederung, einer durch den Fluß Benue geprägten Region, wo ständig 30 bis 40 Grad Hitze herrschen, engagiert sich die Kirche besonders auf den Gebieten Erziehung und Krankenbetreuung. Pfarrer Hentrich konnte mehrere Schulen besuchen und lernte dabei engagierte Lehrer kennen, die sich bewußt in den Dienst kirchlicher Schulunterweisung gestellt haben. Vielfach werden die Schulen von Ordensgemeinschaften geleitet, die inzwischen viele einheimische Mitglieder haben

Die kirchlichen Hospitäler - davon konnte sich Pfarrer Hentrich ebenfalls selbst überzeugen - können die anstehende Arbeit nicht aus eigener Kraft leisten, sondern sind auf Hilfe aus Amerika und Europa angewiesen. "Da es in Nigeria kaum ein wirksames Versicherungssystem gibt, sind die Menschen in Krankheit sehr auf die Unterstützung der Anverwandten angewiesen", berichtet Pfarrer Hentrich. Medikamentenspenden und die Bereitstellung von medizinischen Geräten sind deshalb sehr wichtig.

Aus dem unmittelbaren Erleben der Not möchte Pfarrer Hentrich die bereits bestehende Unterstützung der Region auch durch die Gemeinde Küllstedt unter dem Motto "Küllstedter Afrikahilfe - Bildung, Gesundheit und Glauben" weiter verstärken. "Ich möchte dazu beitragen, daß im Eichsfeld das Interesse für die Not der Menschen in den armen Ländern und die Bereitschaft zu freundschaftlicher Hilfe wächst", sagt Pfarrer Hentrich. "Durch das Wirken von Pater Akaabiam in Küllstedt und meine Erfahrungen in Nigeria sind Vorurteile abgebaut worden. Ich habe ein Stück Weltkirche erlebt, in der sich Menschen im Glauben an Jesus Christus und in der Offenheit für das Wirken des Heiligen Geistes sowie im Einsatz für die Schwachen verbunden wissen. Trotz Armut, vielfachem Mangel an Energie, Benzin, Trinkwasser und anderen europäischen Selbstverständlichkeiten sind mir bei meinen Begegnungen die Herzlichkeit und Gläubigkeit der Nigerianer sehr wertvoll geworden."

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 1 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 10.01.1999

Aktuelle Empfehlung

Der TAG DES HERRN als E-Paper - Jetzt entdecken!

Aktuelle Buchtipps