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Aus der Region

Die Zeit ist noch nicht reif für Amnestie

Kommentar

Es ist erst zehn Jahre her: Mitten in Deutschland gilt ein Befehl, auf Menschen zu schießen, die in Freiheit leben wollen. In Bautzen sitzen hunderte, die mit dem real existierenden Sozialismus nicht einverstanden sind, unter unmenschlichsten Bedingungen im Gefngnis. Und in Berlin macht eine Clique alternder Mnner mit Hilfe ihres verlngerten Armes Stasi und einer Mauer Millionen Menschen das Leben immer unertrglicher und richtet ein ganzes Land zugrunde. Schon vergessen

Es scheint so, wenn man die Debatte ber eine Amnestie fr DDR-Unrechtstter der vergangenen Wochen verfolgt. Zugegeben, die juristische Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit hat bisher nicht viel gebracht: Von den eingeleiteten 22500 Ermittlungsverfahren wurden ber 90 Prozent wieder eingestellt. 400 Verfahren wurden von Gerichten angenommen, von denen rund 200 mit Geldstrafe oder Bewhrungsurteil endeten. Lediglich in 22 Fllen kam es zu Haftstrafen. Von den Verurteilten sitzt heute kaum noch jemand im Gefngnis. Diese Fakten und manches, was im Rahmen der rechtsstaatlichen Aufarbeitung von DDR-Geschichte passiert ist, kommen eher einem Schlag ins Gesicht der Opfer gleich. Jngstes Beispiel: die Haftentschdigung fr Stasi-Chef Mielke

Jetzt also einen Schlustrich ziehen: Schwamm drber, war ja alles nicht so schlimm? Schon allein im Namen der Opfer mu hier ein deutliches Nein gesagt werden. Eine Amnestie wrde nur den Ttern etwas bringen in einer Zeit, in der immer mehr Akten rekonstruiert werden und so vielleicht das eine oder andere doch noch juristisch auswertbar wird. Friedrich Schorlemmer, der jngst ein Amnestiegesetz vorgeschlagen hat, mu widersprochen werden. Schorlemmer sagt, eine Amnestie wrde zum "inneren Frieden" beitragen und wie ein "Befreiungsschlag fr die Debatte um die DDR-Vergangenheit" wirken, die dann feier und offener gefhrt werden knne. Das Gegenteil wird der Fall sein. Die Tter werden weiter die Vergangenheit verdrehen und ihre Hnde in Unschuld waschen. Und bei den Opfern wird der Eindruck wachsen, da der Staat den Ttern greres Interesse schenkt als ihnen. Im Falle einer Amnestie besteht also vielmehr die Gefahr eines wachsenden inneren Unfriedens!

Was ist ntig? Der Rechtsstaat schuldet den Opfern eine konsequente Aufarbeitung der DDR-Geschichte mit strafrechtlichen Mitteln. Darber hinaus mu die gesellschaftliche Debatte um die DDR-Vergangenheit intensiviert werden. In diesen Rahmen gehrt die Frage des Umgangs mit denen, die schuldig geworden sind. Vielleicht ist eines Tages die Zeit reif fr einen Schlustrich unter die juristische Aufarbeitung. Aber das Signal dafr sollte von denen kommen, die in der DDR Unsgliches erlitten haben. Niemand anderes hat eigentlich das Recht dazu

Matthias Holluba

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 2 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 17.01.1999

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