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Aus der Region

Ohne religiöse Dimension keine Humanität

Professor Dr. Feiereis

Der Erfurter katholische Philosoph Konrad Feiereis hat am 7. Januar seine Emeritierungsvorlesung gehalten. In seinem Vortrag widmete sich der langjährige Hochschullehrer am Philosophisch-Theologischen Studium in Erfurt den Grundlagen eines menschenwürdigen Zusammenlebens in der säkularen Gesellschaft. Der Tag des Herrn sprach mit Professor Dr. Feiereis:

Frage: Herr Professor, Sie bemühen sich seit DDR-Zeiten intensiv um den Dialog zwischen Christen und Nichtchristen. Warum?

Feiereis: Wenn wir uns das Christentum aus der Gesellschaft wegdenken, würde es völlig andere Fundamente des Zusammenlebens geben. Doch auch viele Nichtchristen leben aus einer Tradition und Kultur, die vom Christentum geprägt wurden. Wir müssen ihnen Mut machen, ihre eigene geistige Herkunft zu entdecken

Frage: Manch einer wittert im engagierten Sich-Einlassen auf Nichtchristen die Gefahr einer zunehmenden Aufweichung des Glaubens..

Feiereis: Die Zeit des "Überwinterns" wie zu DDR-Zeiten ist für unsere Kirche vorbei. Die Sehnsucht nach Religion und Glaube ist auch bei uns im Osten Deutschlands wieder im Wachsen. Gerade junge Menschen spüren, daß eine bloße "Spaßgesellschaft" keine Perspektive bietet. Deshalb ist unser Zeugnis von der Botschaft Christi unersetzbar. Wir brauchen uns nicht vor einer "Aufweichung" zu fürchten, wenn uns die Mitte unseres Glaubens bewußt bleibt: die Fragen nach Gott, dem Menschen und nach dem Nächsten

Frage: Sie halten das Mühen um ein menschenwürdiges Zusammenleben für die geeignete Ebene eines guten Miteinanders von Christen und Nichtchristen. Warum?

Feiereis: Wir blicken auf ein Jahrhundert zurück, das wie kein anderes Entmenschlichung hervorgebracht hat. Christen und Nichtchristen müssen gemeinsam einen Weg finden, daß Inhumanität nie wieder zur politischen Macht gelangt; das verbindet. Das Zweite Vatikanum spricht von einem "neuen Humanismus", dessen Kennzeichen Verantwortungsbereitschaft ist und der auch bei Nichtchristen lebendig ist. Eine Gesellschaft bricht auseinander, wenn es keinen Grundkonsens über das Menschenbild und das Humanum gibt. In wesentlichen Aussagen über die Würde des Menschen, seine Unantastbarkeit, seine Rechte und Pflichten und über die Grundwerte stimmen viele Nichtchristen mit uns überein. Einen besseren Schutz vor Inhumanität gibt es nicht

Frage: Ohne Religion also keine Zukunft für die menschliche Gesellschaft?

Feiereis: Ohne Bindung an eine Religion oder Weltanschauung, ohne Beziehung zu Menschen, die Vorbilder sind, und ohne Perspektive für das Leben gelingen Erziehung und Zusammenleben nicht; das sagt auch die moderne Pädagogik

Frage: Was kann der einzelne Christ tun?

Feiereis: Nichtchristen wollen von uns Christen wissen, wie uns der Glaube zu einem gelingenden Leben hilft und ob er uns auch über die Abgründe trägt. Jeder von uns sollte mehr auf die anderen zugehen und - nach der Erfahrung von zwei Diktaturen - zeigen, daß unser Menschenbild wie kein anderes den Weg in eine humane Zukunft weist. Wer sich mit einer materialistischen Lebensweise nicht abfinden will, warum sollte er nicht für sich den Reichtum christlicher Tradition, Kultur und Religion entdecken?

Interview: E. Pohl

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 2 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 17.01.1999

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