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Aus der Region

Hans Joachim Meyer verteidigt Konzept von Kardinal Bengsch

DDR-Geschichte

Dresden (mh) - Der Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) und sächsische Wissenschaftsminister, Hans Joachim Meyer (CDU), hat das kirchenpolitische Konzept von Kardinal Alfred Bengsch (Bischof in Berlin 1961 bis 1979) verteidigt. Bis Mitte der 70er Jahre sei die "Strategie der Bewahrung" das "einzig realistische Konzept" gewesen, sagte Meyer auf einer Veranstaltung in Dresden. Allerdings hätten die kirchlichen Verantwortlichen Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre die Veränderungen in der Gesellschaft nicht wahrgenommen und zu lange am Kurs der "politischen Abstinenz" festgehalten. Eine besonders bedeutsame Ausnahme auch im Hinblick auf die politischen Veränderungen 1989 sei hier die Teilnahme der katholischen Kirche an der Ökumenischen Versammlung in der DDR gewesen

Bengsch habe mit seinem Konzept sicherstellen wollen, daß die Kirche die DDR übersteht, sagte Meyer. Man habe sich darauf einstellen müssen, daß das "lange dauert". Die "Bewahrungsstrategie mit all ihren negativen Folgen" habe sich einerseits gegen die Gefahr der Vereinnahmung der Kirche durch den Staat gewandt, andererseits sei es aber auch darum gegangen, offene Konflikte zu vermeiden. Bengsch habe - das "Schreckgespenst der Kirche in der Tschechoslowakei und in Ungarn" vor Augen - "größte Gefahr für die Kirche" gesehen. Um diese Situation zu vermeiden sei auch das "Maß einer absoluten innerkirchlichen Loyalität" angelegt worden

Der Dresdner Prälat Dieter Grande, der die von den ostdeutschen Bischöfen eingesetzte Arbeitsgruppe zur "Aufarbeitung der Tätigkeit staatlicher Organisationen / MfS gegenüber der katholischen Kirche" geleitet hat, kritisierte ebenfalls die Haltung der kirchlichen Verantwortlichen in den 80er Jahren: Nach dem Tode von Bengsch habe man die "Zeichen der Zeit nicht erkannt". Die kirchenpolitischen Berater in Berlin hätten sich als Bengschs "Erbwalter" betrachtet und - auch gegen das Bemühen anderer Bischöfe - dessen Kirchenpolitik fortgesetzt. Allerdings habe auch der Staat für den Fall eines Abweichens von dieser Linie bewußt Ängste vor einer Verschärfung der Situation geschürt

Der Historiker Bernd Schäfer, dessen Buch "Staat und katholische Kirche in der DDR" im Rahmen dieser Veranstaltung vorgestellt wurde, verwies darauf, daß die "Haltung der politischen Abstinenz" den Staatsvertretern anfangs ein "Dorn im Auge" gewesen sei, da es dadurch auch keine positiven Äußerungen zum DDR-Staat gegeben habe. Später hätten sie diese Haltung - auch im Vergleich zu den immer häufiger werdenden Konflikten mit der evangelischen Kirche - als "kleineres Übel" angesehen

Schäfer äußerte sich auch zur Kirchenpolitik im Bezirk Dresden unter Hans Modrow in den 80er Jahren: Hier habe es zwar ungewöhnlich enge und freundliche Kontakte zwischen SED-Bezirksleitung und Kirchenleitungen gegeben, stellenweise habe man gegenüber kirchlichen Anliegen verständnisvoller agiert, gleichzeitig sei der gesamte Überwachungs- und Zersetzungsapparat aber weiter betrieben worden. Es sei so die tückischste Kirchenpolitik gewesen, weil sie auf die "Beheimatung der Kirchen in der DDR" zielte. "Glücklicherweise funktionierten aber an vielen Stellen in den Dresdner Kirchen die Bremsen", sagte Schäfer

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 4 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 31.01.1999

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