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Bistum Erfurt

Thüringerin saß bei Heiligsprechung in der Verwandten-Loge

Edith Stein

Barbara, das ist sowas Besonderes, das kommt noch vor dem Bundesverdienstkreuz!" - So war die überwältigte Reaktion eines katholischen Angehörigen auf die Einladung zur Heiligsprechung Edith Steins. Als eine der Verwandten der geborenen Jüdin, Philosophin und späteren Karmelitin Edith Stein war die evangelische Christin Barbara Polifka aus Mühlhausen mit ihrem Mann am 11. Oktober letzten Jahres nach Rom eingeladen worden. Ihr Fazit dieser besonderen Reise: "Für mich und für meinen Mann war zum einen die Heiligsprechung eine ganz großartige Geschichte. Zum zweiten war es toll, die Verwandtschaft kennenzulernen."

Mit großer Spannung hatte Barbara Polifka das umfangreiche Programm erwartet. Schon der Flug, so erzählt sie, sei ein besonderer gewesen. Viele der Passagiere flogen genau wie sie zur Heiligsprechung nach Rom. Am Samstag vor dem großen Festgottesdienst machte sie mit ihrem Mann eine Tour durch die Stadt. Am Abend gingen sie zum Petersdom. Den wollten sie sich nochmal ansehen, bevor es "so richtig losgeht". Ein großes, mit Rosen geschmücktes Bildnis Edith Steins war an der Außenfassade des Doms befestigt und die Stühle waren bereits aufgestellt, auf denen sie am nächsten Tag als besondere Gäste sitzen würden

"Natürlich kam dann schon Stimmung auf. Da waren wir schon sehr voller Erwartungen", erzählt die 54jährige Krankenschwester. Gemeinsam wurden alle 83 Verwandten am nächsten Morgen per Bus zum Petersdom gebracht. In reservierten Sitzreihen durften sie Platz nehmen, ganz in der Nähe von den Stühlen, auf denen sich kurze Zeit später auch Helmut Kohl, Norbert Blüm und Vertreter der italienischen Regierung einfanden. Der Gottesdienst war sehr festlich, hat Barbara Polifka in Erinnerung. Nachdem ein Sprecher das Leben Edith Steins anhand von Zitaten nachgezeichnet hatte, beantragte ein Vertreter der Heiligsprechungs-Kongregation des Vatikans feierlich die Heiligsprechung, die Papst Johannes Paul II. nach Gebeten bestätigte. Besonders gefiel der Thüringerin, daß die Familie Edith Steins besonders begrüßt wurde und daß die Predigt zu Ehren der Karmelitin in deutscher Sprache gehalten wurde. Ein Chor der Karmelitinnen und der Vatikanische Chor sangen. Im Anschluß an den Gottesdienst blieb nicht viel Zeit, denn schon bald ging es weiter zum Konzert mit dem Orchester und dem Chor des Mitteldeutschen Rundfunks zu Ehren Edith Steins und im Gedenken an das 20jährige Pontifikat des Papstes. Daran schloß sich eine Papstaudienz für alle Familienmitglieder an. Zwar wurden nur die nächsten Verwandten der Heiligen, Nichten und Neffen, vom Papst persönlich begrüßt. Barbara Polifka selbst ging nur mit einer Verbeugung an ihm vorbei. Trotzdem, so sagt sie, war es ein besonderes Erlebnis

Ein Bankett mit Kardinal Joachim Meisner bildete den Abschluß des offiziellen Programms. Gerade die vielen Gespräche - nicht nur während des Banketts - sind Barbara Polifka in Erinnerung geblieben. Denn neben dem offiziellen Programm war oft Gelegenheit, die weitläufige Familie kennenzulernen, von interessanten Lebensläufen zu erfahren und Beziehungen zu knüpfen. Einige Verwandte leben in Kolumbien, in der Schweiz und in Deutschland, viele in den Vereinigten Staaten, weil ihre Vorfahren dorthin auswanderten, als der nationalsozialistische Antisemitismus in Deutschland immer schlimmer wurde. Die sprachliche Verständigung ging besser als erwartet und es haben sich herzliche Verhältnisse entwickelt

Einige Verwandte leben bewußt als Juden. Diese gaben sich nach der Heiligsprechung die Hand und wünschten sich "Schalom" (hebräisch "Friede!"). Auch besuchten sie nach dem Gottesdienst die Synogoge. Susanne Batzdorff, eine in Kalifornien lebende Nichte Edith Steins, ist als Autorin an der Herausgabe von Büchern über die Heilige beteiligt. Sie hält in ihrer Heimat Vorträge und schreibt Artikel über ihre berühmte Tante Edith Stein und zu Fragen der christlich-jüdischen Verständigung. Während der ganzen Zeit wurde die Familie vom amerikanischen Fernsehen gefilmt. Und mit einem Schmunzeln erzählt Barbara Polifka, daß sie sich als Verwandte der Edith Stein manchmal wie ein "Museumsstück" vorgekommen sei. Nicht nur für sie übertrafen die Ereignisse in Rom alle Erwartungen. Auch ihren Mann, der, wie sie sagt, eigentlich kein Kirchgänger, als gebürtiger Schlesier aber ein "Verehrer des Papstes" sei, habe die besondere Reise sehr berührt. Es zeugt ja von Interesse, so meint sie, "wenn er sich die Mühe macht, daß er für mich 30 Mal zum Fotografen rennt, weil mir noch ein Bild einfällt, das abgezogen werden muß". Ein Album hat sich die "Romreisende" angelegt mit Fotos und anderen Erinnerungen. Und einige liebe Briefe aus Amerika sind mittlerweile bei ihr angekommen. Genauso "wanderten" Briefe und Fotos zurück in die Vereinigten Staaten.

Juliane Hutmacher

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 4 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 31.01.1999

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