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Bistum Erfurt

Franziskaner haben Kommunität mitten im Neubaugebiet

Schmalkalden

Schmalkalden / Meiningen (ep) - Was bedeuten eigentlich die drei Knoten an ihrem Gürtelstrick? Bekommen Sie ein Gehalt? Dürfen Sie zu Ihren Eltern und Angehörigen Verbindung halten? - Fragen von Schülerinnen und Schülern während des evangelischen Religionsunterrichtes der 7. Klassen des Meininger Henfling-Gymnasiums an ihren Gast Bruder Florian Reith. Der Ordensmann in brauner Kutte hat sich zuvor den Mädchen und Jungen vorgestellt: "Ich heiße Florian, bin gelernter Industriekaufmann und habe nach meiner Lehre angefangen, nach dem richtigen Lebensweg für mich zu suchen ... Heute bin ich Franziskanerbruder in unserer kleinen Gemeinschaft im Schmalkaldener DDR-Neubaugebiet Walperloh. Meine Hobbys sind Radsport und Skilaufen ..."

Für Bruder Florian (44) ist es nichts Ungewöhnliches, vor einer Schulklasse Rede und Antwort zu stehen. Mehrmals im Jahr wird der Ordensmann, der auch Vorsteher der kleinen, dreiköpfigen Franziskaner-Kommunität in Schmalkalden ist, von Lehrern südthüringischer Schulen gebeten, in den Religionsunterricht zu kommen und etwas vom Leben im Geist des Franz von Assisi zu erzählen. Auch sein Mitbruder Pater Dr. Johannes Schlageter (61) ist schon des öfteren in der Schule gewesen: Besonders in den ersten Jahren nach der Wende hat er immer wieder im Ethik-Unterricht zum Beispiel über die Religionskritik von Feuerbach und Marx referiert und auch vor Lehrern gesprochen

Die Franziskaner sind seit 1992 in Schmalkalden. "Wir wollten etwas Neues versuchen und bewußt unter Menschen leben, die von Christus nichts wissen und die zudem auch nicht zur begüterten Bevölkerung gehören", sagt Bruder Florian, der aus Fulda nach Thüringen kam. "Zudem haben wir uns mit unserer Wohnung im Plattenbau bewußt für eine kleine Niederlassung mitten unter den Leuten entschieden, wie es viele in den Armenvierteln der dritten Welt gibt. Ich denke, solche Fraternitäten gehören zu den Zukunftsmodellen der Ordensgemeinschaften."

Neben seiner Aufgabe als Vorsteher - Franziskaner sprechen vom Guardian als demjenigen, der in einer Kommunität für das Wohl der Gemeinschaft und jedes einzelnen Mitbruders zu sorgen hat - ist Bruder Florian vor allem in der Gefängnisseelsorge tätig. Mit dem Zella-Mehliser Pfarrer Martin Montag teilt er sich die halbe Stelle des katholischen Seelsorgers in der Justizvollzugsanstalt Suhl-Goldlauter. Er bietet dort Beratungsgespräche an, hat eine Yoga-Gruppe ins Leben gerufen, gestaltet den monatlichen Gefängnisgottesdienst mit, ist dreimal im Jahr für die monatlich stattfindenden Familientreffen im Gefängnis zuständig. Derzeit ist Bruder Florian, der kein Priester ist, dabei, sich zu qualifizieren, um staatlich anerkannten Religionsunterricht halten zu können. Und auch in Sachen Jugendarbeit ist der Ordensmann engagiert und möchte, daß im Wohnviertel der Kommunität Offene Jugendarbeit angeboten wird. Dafür soll sich vor allem Bruder Bernhard Schäfer (45) stark machen, der seit Ende November vorigen Jahres in der Kommunität lebt. Bruder Bernard, der aus Freiburg im Breisgau nach Schmalkalden gekommen ist, ist von Beruf Tischler und will seine Fähigkeiten für die Jugendarbeit nutzen: "Ich habe vor, für und mit den Jugendlichen eine Holzwerkstatt einzurichten und kreativ mit Holz zu arbeiten", sagt er. Auch einen Gitarrenkurs will er anbieten. Bruder Bernhard ist inzwischen aber auch in der Krankenhausseelorge tätig. Darüberhinaus arbeitet er in der überregionalen Seelsorge der Franziskaner mit

"Uns kommt es vorallem darauf an, mit den Menschen zu leben", sagt Bruder Florian. "Hier im Stadtteil Walperloh bleiben in den Plattenbauten viele zurück, die es sich nicht leisten können, in andere Gegenden von Schmalkalden zu ziehen, Die Menschen, die hier bleiben, sind nicht einfach abzuschreiben. Gerade sie müssen für uns Franziskaner die erste Adresse unserer Sendung sein." Und Pater Johannes fügt hinzu: "Dabei ist es uns wichtig, nicht zu sagen und zu denken: ,Wir bringen Gott zu den Menschen.' sondern uns immer wieder klar zu machen: ,Gott ist längst da. Er ist auch bei den Menschen, die keine Christen sind, aber nach menschenwürdigen Normen leben'."

"Wir sind hierher gezogen, weil wir dachten: Es ist gut, wenn Nichtchristen erleben, wie es ist, wenn Menschen aus christlicher Überzeugung bewußt zusammenleben", sagt der Franziskaner. "Und wir haben gehofft, durch unser Dasein schnell mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Doch dies ist schwerer als wir dachten", so der Ordensmann, der als Priester auch Gemeindegottesdienste in den Außenstationen Steinbach-Hallenberg, Brotterrode und Trusetal hält sowie auch in anderen Gemeinden Südthüringens Vertretungen übernimmt. Vor allem ist Pater Johannes derzeit aber mit der Herausgabe eines wissenschaftlichen Buches über mittelalterliche Theologie und Spiritualität der Franziskaner beschäftigt

Der Pater ist von der sozialen Situation betroffen, in der viele der Nachbarn der Franziskaner stecken. Im Wohngebiet ist zu spüren, wie die Kluft zwischen Arm und Reich in der Gesellschaft größer wird. "Ich kriege aus der Nähe mit, was es für Menschen bedeutet, arbeitslos zu sein", sagt Pater Johannes. "Es macht betroffen zu sehen, wie Menschen daran kaputtgehn, wie die Männer schon am Morgen an den Getränkemärkten herumlungern. Wir wollen bewußt bei den Menschen hier aushalten, wenn andere, die es können, wegziehen", sagt der Franziskaner

"Wir haben uns für unsern Dienst vorgenommen: Wenn wir angefragt werden, lassen wir uns darauf ein", sagt Bruder Florian. So denken die Franziskaner etwa darüber nach, sich bei Zustandekommen eines Kriseninterventionsdienstes / Unfallseelsorge für Südthüringen an den Diensten zu beteiligen. Zudem gebe es Überlegungen, eine Studentenseelsorge aufzubauen. Mit Jugendlichen aus sozial schwachen Familien - der Kontakt kam über die Stadt zustande - ist er schon Ski fahren gewesen ... "Das Leben schreibt die Konzepte", meint Bruder Florian. "Wir versuchen uns darauf einzulassen."

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 5 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 07.02.1999

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