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Bistum Dresden-Meißen

Drogenproblem im Mittelpunkt zweier Referate

Winterseminar

Leipzig (jk) - "Sehnsucht nach Leben" war Thema einer Veranstaltung des Winterseminars in der Propstei Leipzig. Professor Heinz-Bernhard Wuermeling (Erlangen) und Professorin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz (Dresden) sprachen über die Drogenproblematik aus medizinischer und ethischer Sicht

Wuermeling erklärte in seinem Vortrag, welche Drogen in welchen Erdteilen vorherrschend sind und wie die einzelnen Völker damit umgehen. Die Indianer konsumierten Tabak. Im Vorderen Orient sei das Harz der Hanfpflanze ein beliebtes Rauschmittel. In Europa war und ist der Alkohol die gebräuchlichste Droge. Im Laufe der Geschichte haben sich weltweit spezifische Sitten entwickelt, wie die einzelnen Kulturen mit diesen Substanzen umgehen. "Immer da, wo die Menschheit solche Gifte einnimmt, findet eine Ritualisierung statt. Das ist wichtig als Schutz vor schädlichen Folgen", erläuterte Wuermeling. Zum Beispiel seien viele Indianer an übermäßigen Alkoholgenuß gestorben. Sie hatten keine Begrenzungsrituale für diese Drogen wie die Europäer, die ihnen den Alkohol brachten. Das gleiche Problem ergebe sich heute bei der aktuellen Diskussion um den Haschischgebrauch und dessen eventuelle Legalisierung. Kaum einer könne hier einschätzen, ab wann und nach welcher Einnahmemenge Haschisch eine schädliche Wirkung hat

Anhand des Alkoholkgenusses erläuterte Wuermeling die Rituale: Der Gebrauch sei ins kulturelle Leben eingebaut. Alkohol werde meist bei Feiern getrunken und selbst da gebe es noch bestimmte Bräuche. Zum Beispiel trinke man erst etwas, wenn der Gastgeber das Glas erhoben habe. Wuermeling warnte vor den Gefahren, den Gebrauch von bestimmten Drogen aus anderen Kulturen wahllos zu übernehmen. Und er nannte einen weiteren Grund, den Genuß von Drogen mit bestimmten Verboten zu verhindern: "Das ist deshalb wichtig, weil hier niemand durch individuelle Erfahrungen klug wird. Das individuelle Kennenlernen ist oft sogar ausgesprochen gefährlich."

Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz stellte ihren Vortrag unter das Motto "Leben heißt Weglassen". Sie meine damit keine Askese, sondern einen Verzicht, um Größeres zu erreichen. Um leben zu können, müsse jeder lernen, auszuwählen. Feste als Unterbrechungen des Alltags seien Gelegenheiten, das normale Verhalten zusammen in einer Gruppe zu ändern. In Gemeinschaft sei es dann auch nicht schädlich, Alkohol zu konsumieren, weil sich die einzelnen gegenseitig kontrollieren könnten. "Das ist der Unterschied: Bei einem Fest trinkt man gemeinsam, der Säufer aber trinkt einsam", so Gerl-Falkovitz. Nach einem Fest müsse jeder aber wieder in den Alltag zurück. Feste seien wichtig als Orte und Zeiten von Glück. "Wir brauchen hin und wieder ein Überschreiten der Alltäglichkeit", so die Professorin. Von einer Party in die nächste zu fallen, sei aber keine Beschränkung, kein Auswählen mehr

Eine Gefahr sieht Gerl-Falkovitz darin, daß das Gemeinschaftsgefühl nicht mehr gewahrt sei. Das habe den Nachteil, daß die Regulierungen, die von der Gesellschaft auf den einzelnen ausgeübt würden, nicht mehr funktionierten. Damit seien gegen den Überfluß und damit gegen den schädlichen Gebrauch von Drogen kaum allgemeine Grenzen und Regelungen vorhanden

Die Professorin sieht in der Drogensucht "die Verlängerung eines Triebs". Die Sucht sei "das Zuviel" an eigener Freiheit. Ein vorher selbständiger Mensch sei dann auf einmal wieder an etwas fest gebunden. Wahres Glücksempfinden, das Gerl-Falkovitz als "Zeichen von Identität mit sich selbst" definiert, stelle sich bei dem hemmungslosen Genuß von Drogen nicht ein. Jeder müsse daher lernen, eigene Grenzen wahrzunehmen. Eine Kraft zu finden, die glücklich macht, sei auch Aufgabe der Liturgie. In der Bibel fänden sich genügend Beispiele dafür, ohne Ersatzhandlungen, Geld und Besitz glücklich zu werden. Gerl-Falkovitz: "Der richtige Weg ist es, immer erneut dafür zu sorgen, daß Erhellung nicht von mechanisch erzeugtem Glück herführt."

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 6 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 14.02.1999

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