Ich habe dort Freunde gefunden

Mengelsdorf/Leipzig (kh) -Vorurteile zwischen Deutschen und Polen abzubauen: Das ist ein Herzensanliegen von Evelyn Haschke aus Mengelsdorf bei Görlitz. Ein wenig mulmig war der 19-Jährigen aber trotzdem, als sie sich entschloss, in diesem Sommer für drei Monate in einer polnischen Familie zu leben. "Dass ich es letztlich gemacht habe, lag daran, dass Familie Puzanowscy in Wroclaw (Breslau) wohnt und ich dort vorher schon Leute kannte", erläutert sie. Außerdem hätten sie ihre Eltern bei diesem Vorhaben sehr stark unterstützt.

Erste Kontakte zu Polen hatte Evelyn bei Jugendwochenenden in Annaberg (Góra sw. Anny) geknüpft. Dorthin war der damalige Görlitzer Stadtjugendseelsorger, Pater Rudolf Croner, öfters mit einer Gruppe von Deutschen gefahren. Zum Beispiel lernte Evelyn auf diese Weise eine deutsche Ordensfrau kennen, die in Breslau lebt. Diese Schwester wurde zu einer richtigen Freundin der Familie Haschke und stellte auch den Kontakt zu Evelyns Gastfamilie her.

Während ihres Aufenthalts dort hatte die Abiturientin Gelegenheit, an zwei großen Jugendtreffen teilzunehmen. Sie achtete dabei besonders auf Unterschiede zwischen diesen Wochenenden und ähnlichen Veranstaltungen, die sie in Deutschland miterlebt hatte. Immerhin ist Jugendarbeit für Evelyn ein bekanntes Terrain, war sie doch selbst viele Jahre Jugendsprecherin in der Gemeinde Reichenbach-Mengelsdorf, bereitete Aktionen im Jugenddekanat sowie bistumsweite Kurse und Wallfahrten mit vor und nutzte die Zeit zwischen Schulabschluss und Studium für ein längeres Praktikum beim Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) im Bistum Görlitz.

Anders als in der heimischen Diaspora seien in Polen wesentlich mehr junge Leute zu den Begegnungen gekommen, berichtet Evelyn: "Beim großen Sommerjugendtreffen auf dem Annaberg waren 's an die 2000." Umso erstaunter war die deutsche Katholikin, wie still all diese Jungen und Mädchen waren, wenn es bei Vorträgen um Franz von Assisi oder den Heiligen Geist ging. Noch etwas ist ihr in Polen aufgefallen: "Bei den Jugendveranstaltungen, bei denen ich war, wurde viel mehr Wert auf Gebetszeiten gelegt und es waren viele Priester und Ordensleute dabei, die sich Zeit nahmen für das persönliche Gespräch mit den Jugendlichen."

Die Anwesenheit von Patres und Schwestern war für die Mengelsdorferin übrigens nichts Ungewohntes: Zu ihr nach Hause kamen oft Ordensangehörige zu Besuch. Die Art, wie ihre polnische Gastfamilie den Glauben lebte, war Evelyn ebenfalls von daheim vertraut. Zum Beispiel ist es in beiden Familien üblich, werktags Gottesdienste zu besuchen. Auch außerhalb ihrer Gastfamilie lernte Evelyn polnische Christen kennen, mit denen sie sich über ihren Glauben austauschen konnte. "Ich habe dort Freunde gefunden", bringt es die Mengelsdorferin auf den Punkt.

Diese Freundschaften will sie auch in Zukunft pflegen, zum Beispiel bei Wochenendbesuchen in Polen. Bei der Fahrt nach Annaberg, die Kaplan Matthias Grzelka Anfang Dezember für Jugendliche aus dem Raum Görlitz anbietet, will sie ebenfalls mit dabei sein.

Die Erfahrungen, die Evelyn während ihres Praktikums beim BDKJ und während ihres Aufenthalts in Polen machte, spielten übrigens auch bei der Wahl ihrer Studienfächer eine Rolle: Evelyn ist an der Universität Leipzig für Erwachsenenpädagogik, Religionswissenschaft und Polinistik eingeschrieben. Schließlich möchte sie dazu beitragen können, dass sich die beiden Völker schon allein von der Sprache her besser verstehen.

Jugendliche aus dem Dekanat Görlitz, die zur Einstimmung auf den Advent von 7. bis 9. Dezember ein Besinnungswochenende auf dem Annaberg verbringen möchten, können sich bis 5. November bei Kaplan Matthias Grzelka, Telefon (0 35 81) 6 49 03 63, anmelden. Die Kosten betragen rund 25 Mark.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 43 des 51. Jahrgangs (im Jahr 2001).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 25.10.2001