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Aus der Region

Zum 100. Geburtstag von Elisabeth Langgässer

Porträt

Elisabeth Langgässer gehört neben Gertrud von le Fort, Reinhold Schneider und Werner Bergengruen zu den bedeutendsten deutschsprachigen katholischen Dichtern unseres Jahrhunderts. Sie ist die modernste unter ihnen

1924 war ihr erster Gedichtband "Der Wendekreis des Lammes. Ein Hymnus der Erlösung" erschienen. Als sie 1929 nach Berlin übersiedelte, schloß sie sich dem Kreis um die literarische Zeitschrift "Die Kolonne" mit Peter Huchel, Oda Schäfer, Oskar Loerke und Günter Eich an. Unter dem Einfluß des Renouveau Catholique, einer geistlichen Erneuerungsbewegung aus Frankreich, und ganz besonders unter dem Eindruck des dichterischen Werks von Georges Bernanos, gewann ihr eigenes Schaffen an existenzieller Tiefe und weltanschaulicher Entschiedenheit. Besonders in ihren beiden letzten Romanen wird diese neue Einstellung tragend: "Das unauslöschliche Siegel", 1946, und "Märkische Argonautenfahrt", 1950. Für "Das unauslöschliche Siegel" erhielt sie im Oktober 1950, drei Monate nach ihrem Tod, posthum den Georg-Büchner-Preis verliehen, die höchste literarische Auszeichnung Deutschlands

Nach ihrer Auffassung kämpft Gott die ganze Weltgeschichte über mit dem Teufel um die Schöpfung. Und wenn wir uns nur auf unsere Erfahrung und unsere Vernunft verlassen müßten, "dann wäre Gottes Anspruch verloren, denn der Satan ist der Herr dieser Welt", heißt es in "Das unauslöschliche Siegel". An der Frage nach der "Gottheit Christi" entscheidet sich das Schicksal der Menschen. "Die Reichen, die Üppigen und die Sieger" stehen weiter weg von dem "Brennpunkt der Liebe". Er ist das Zentrum der Welt. Sie versucht, wie nach ihr erst wieder die österreichische Dichterin Jeannie Ebner, den antiken Mythos mit dem christlichen zu vereinen

Elisabeth Langgässer ist groß im Schildern von Landschaften und Ereignissen. Sie kann eine heuchlerisch-vornehme Herrenrunde im Gasthaus ebenso überzeugend ironisch darstellen wie eine Frühlingsstimmung am Wegrand oder im Garten. Da die Romane ihre Spannung weithin aus geistigen Auseinandersetzungen beziehen, sind sie nur noch von einem an geistigen und theologischen Problemen interessierten Leser mit Freude zu lesen. Da haben es die pointiert erzählten Kurzgeschichten (z.B. "Saisonbeginn") leichter. Sie gehören zu den besten deutschen Erzählungen und sind noch längst nicht veraltet. Auch einige ihrer Landschaftsgedichte sind lebendig geblieben. Wegen ihres starken Bezugs zur Antike werden sie allerdings immer weniger verständnisvolle Liebhaber finden

Geboren wurde Elisabeth Langgässer am 23. Februar 1899 in Alzey/Rheinhessen. Ihr Vater, ein Architekt, war einen Tag vor der Eheschließung seiner katholischen Frau wegen vom Judentum zum Christentum übergetreten. Als die Tochter zehn Jahre alt war, starb er. 1929 wurde ihr erstes Kind, die Tochter Cordelia, unehelich geboren. Der Vater war ein Jude. 1935 heiratete Elisabeth Langgässer, kurz bevor die Gesetze es verboten, einen "Arier", den Philosophen und Publizisten Wilhelm Hoffmann. Die drei gemeinsamen Kinder waren nicht gefährdet, während Cordelia als "Dreivierteljüdin" galt und ins Konzentrationslager kam. Sie überlebte und ging nach Schweden

Als "Nichtarierin" erhielt Elisabeth Langgässer Schreibverbot und konnte erst nach 1945 wieder veröffentlichen. Da war ihre Lebenskraft aber fast aufgebraucht. Obwohl sie bereits an Multipler Sklerose erkrankt war, wurde sie 1944 als Arbeiterin in eine Munitionsfabrik zwangsverpflichtet. Am 25. Juli 1950 ist sie in Bergzabern gestorben

100 Jahre nach ihrem Geburtstag ist ihr Werk weithin unbeachtet. Es hält auch dort, wo es sperrig ist und unseren Widerspruch herausfordert, Lese- und Denkvergnügen bereit

Jürgen Israel

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 7 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 21.02.1999

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