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Bistum Erfurt

Familiensonntag zum Thema "Kinder und Fernsehen"

Dingelstädt

Dingelstädt - Wieviel Fernsehen ist für Kinder gut? Welche Möglichkeiten haben Eltern, sich über Sendungen für Kinder zu informieren? Welche Sendungen können Mütter und Väter ihre Sprößlinge mit gutem Gewissen sehen lassen? Was bietet der Kinderkanal? Fragen, die bei einem Sonntagsforum für Eltern zum Thema "Kinderfernsehen - Fernsehkinder? Gefahren und Chancen eines Mediums" zur Sprache kamen. Zu der Veranstaltung hatte am 7. Februar das Familienzentrum Kerbscher Berg und der Familienbund der Deutschen Katholiken im Bistum Erfurt im Rahmen eines Familiensonntages nach Dingelstädt eingeladen. Nach einem Familiengottesdienst zu Beginn gab es für die Kinder Spiel- und Bastelangebote. Die Eltern hatten währenddessen Gelegenheit, mit zwei Profis in Sachen Kinder und Fernsehen über gute und problematische Seiten des Mediums zu sprechen. Dazu waren Petra Best vom Institut Jugend Film Fernsehen in München und Diana Schulte-Kellinghaus vom Kinderkanal in Erfurt nach Dingelstädt gekommen

"Kinder haben beim Fernsehen einen anderen Blickwinkel als Erwachsene. Wer Sendungen nach ihrer Eignung für Kinder beurteilen will, muß sich auf die Maßstäbe der Kinder einlassen." Diese Aussage stellte Petra Best an den Anfang ihrer Ausführungen. Frau Best ist als verantwortliche Redakteurin mit der Erarbeitung der Broschüre und des Internetangebotes "Flimmo" befaßt und bietet damit Eltern eine regelmäßige Programmberatung an. "Kinder mögen Geschichten über Familie, Freundschaft und Abenteuer, Interessantes aus Nah und Fern. Sie lieben Witz, Aktion und turbulente Verwicklungen und erhoffen sich - wie die Erwachsenen - beim Fernsehen Unterhaltung, Spaß und Entspannung. Aber", so Petra Best, "das Fernsehen hat für sie immer auch Orientierungsfunktion, wie die großen und kleinen Probleme des Lebens zu meistern sind. Die Kinder identifizieren sich mit den dargestellten Situationen und handelnden Personen."

Bei ihrer Orientierungssuche spielen für die Kinder vor allem die Filmhelden eine wichtige Rolle, so Frau Best. Besonders mögen sie mutige, starke und pfiffige Helden. "Kleinere Jungen zum Beispiel orientieren sich gern an den kämpferischen Heroen, da sie sich in ihrem Alter oft als die kleinen erleben und wünschen, stark und erfolgreich wie die Filmhelden zu sein." Von daher sei etwa die Art und Weise, wie die Fernsehhelden bei Konflikten miteinander umgehen, ganz wesentlich dafür, ob eine Sendung für Kinder geeignet ist oder nicht. "Wenn ein Kind in einer zudem noch alltagsnahen Filmsituation Gewalt sieht und auch in seiner Umgebung erlebt, wie Mutter und Vater Konflikte mit Gewalt austragen, so verstärken sich die Bilder und das Kind wird sie möglicherweise als Verhaltensmuster in sich aufnehmen", sagt Frau Best. Leider spielten in vielen Sendungen Gewaltdarstellungen eine Rolle. Diese würden Kinder nicht selten überfordern. So seien zum Beispiel in Filmen ab 20.00 Uhr durchaus Kindesmißbrauch und Vergewaltigung zu sehen

Eltern sollten stets ein Auge darauf haben, ob und wie ihre Kinder dem gewachsen sind, was sie im Fernsehen sehen, empfiehlt die Flimmo-Redakteurin. "Auch wenn dies nicht immer einfach ist, halte ich es für sehr wichtig, daß Eltern anstatt zu schimpfen das Fernsehen regelmäßig zum Gesprächsthema machen und ihre Kinder fragen, was sie gesehen haben. Das ist eine Hilfe für die Kinder, Bilder, die für sie bedrohlich und schlimm waren, besser bewältigen zu können." Auf die Frage eines Vaters, was Eltern gegen die häufigen Gewaltdarstellungen im Fernsehen tun könnten, empfahl Frau Best: "Schließen sie sich als Eltern zusammen. Und machen sie die Programmverantwortlichen auf Inhalte, die die Kinder überfordern, mit Nachdruck aufmerksam."

Die Leiterin der Programmplanung des in Erfurt ansässigen Kinderkanals, Diana Schulte-Kellinghaus, berichtete über die aus Sicht des Senders große Akzeptanz des Programms. Monatlich gingen zirka 15 000 Zuschriften von Kindern ein, wobei es allerdings auch ausdrückliches Ziel der Programmacher sei, den Kindern dialogisches, interaktives Fernsehen zu bieten. Die Mädchen und Jungen würden immer wieder angeregt, sich per Telefon, Internet oder Post zu äußern, "was ihrem Bedürfnis nach Kommunikation mit dem Sender entspricht". Das Sendeschema ist so angelegt, daß sich die Beiträge im Laufe des Tages an immer ältere Kinder richten. Darüber hinaus gebe es besondere Thementage

Frau Schulte-Kellinghaus beklagte, das auf Drei- bis Dreizehnjährige zugeschnittene Programm erreiche "defakto nur die drei- bis zehnjährigen Kinder". Grund: Der Kinderkanal muß sich mit dem Sender Arte einen Sendekanal teilen und kann somit nur bis 19.00 Uhr senden. "Wir würden gern bis 21.00 Uhr Programm machen und auch Jugendsendungen anbieten."

Die Sendungen des Kinderkanals würden "nicht altersorientiert" angeboten, weil selbst gleichaltrige Kinder sehr unterschiedlich sind", so Frau Schulte-Kellinghaus. Das Programm des Kinderkanals sei "übersichtlich", so daß sich die Kinder gut zurechtfinden könnten

Während die Sendezeiten von Kindersendungen bei ARD und ZDF von aktuellen politischen oder sportlichen Ereignissen abhängig seien, bietet der Kinderkanal ein zuverlässiges Programm. Werbung ist tabu. Frau Schulte-Kellinghaus räumte ein, daß es seitens des Senders zu wenig Informationen über die einzelnen Sendungen gebe. "Der Videotext ist leider sehr kärglich. Dafür ist der Kinderkanal aber sehr intensiv im Internet vertreten (http://mdr.de/kinderkanal)

Petra Best bescheinigte dem Kinderkanal, ein gutes Programm zu machen. Zugleich warf sie den öffentlich-rechtlichen Sendern ARD und ZDF jedoch vor, sich mit Hilfe des Kinderkanals als Alibi "aus der Verantwortung zu stehlen", wenn es darum gehe, zu berücksichtigen, daß alle ihre Programme auch von Kindern gesehen werden

Beide Frauen sprachen sich gegen einen eigenen Fernseher der Kinder im Kinderzimmer aus. Es könne allerdings sinnvoll sein, den Kindern für bestimmte Sendungen in ihrem Zimmer ein transportables Gerät bereitzustellen. Frau Best: "Das Fernsehen darf nicht dazu führen, daß man in der Familie nicht mehr miteinander redet. Andererseits", so Frau Best weiter, "wenn ich weiß, daß nachher die pädagogisch wertvolle Sendung mit der Maus kommt und meine Kinder die gern sehen, dann ist das o.k., wenn ich sie dazu anrege, sich den Beitrag anzuschauen, während ich dann für eine Weile in Ruhe eine wichtige Sache erledigen kann." Fernsehen als Strafe und Belohnung einzusetzen, sei wenig sinnvoll. Stattdessen sollten Eltern und Kinder "miteinander aushandeln", welche Aufgaben die Kinder zu erledigen haben und wann sie Fernsehen schauen sollten

Kinder würden manche Sendung durchaus gern allein sehen, aber es auch genießen, mit ihren Eltern gemeinsam vor dem Fernseher zu sitzen, so Frau Best. "Eltern sollten versuchen, ihren Kindern auch in Sachen Fernsehen Partner zu sein, sie vor manchem im Fernsehen zu schützen, ihnen andererseits aber auch eigene Schritte ermöglichen."

Eckhard Pohl

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 7 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 21.02.1999

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