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am 28. Februar 1953

Damals...

An diesem Sonntag werden wieder die aktuellen Fastenbriefe der Bischöfe verlesen. Was bewegte ihre Vorgänger im Jahr 1953? Eine Dokumentation aus dem Tag des Herrn desselben Jahres:

Der Berliner Bischof Wilhelm Weskamm spricht über "Christliche Verantwortlichkeit für die Welt": Er sagt unter anderem: Haben wir als Christen etwas mit der Welt, in der wir leben, zu tun und in ihr zu wirken - oder ziehen wir uns am besten zurück? Die frühen Christen würden diese Frage wahrscheinlich etwas verwundert hören. ... das Reich Christi, das wußten sie alle, war für die Welt da und sollte in die Welt hineinwachsen. Und es ist in die Welt hineingewachsen, nicht nur durch Paulis Missionsreisen, sondern auch dadurch, daß Christen in der Welt lebten und wirkten: Der christliche Soldat in seiner Kohorte, der christliche Sklave ..., der christliche Kaufmann ... , die christliche Frau .... Sie alle trugen das Leben Christi in sich und bezeugten es schlicht, selbstverständlich und notwendig, so wie ein Licht selbstverständlich leuchtet. Sie wußten, daß die Welt das Heil Gottes finden mußte. "Ihr werdet Zeugnis von mir geben."- Aber seien wir einmal ehrlich in dem Urteil über uns Christen heute. Ist uns das christliche Leben nicht zu sehr eine private Sache geworden, die wir von dem anderen Leben trennen? Religion sei Privatsache, sagt man. Doch darin steckt eine große Irrlehre: Religion ist persönliche Gewissenssache, aber sie ist eine Weltsache, so wie Gott und Gottes Sohn die ganze Welt angehen. Haben wir nicht doch viel zu sehr verlernt, daß wir für diese unsere Welt eine richtige Verantwortung tragen - gerade als Christen?

Wir sind unserer ganzen Haltung nach zu sehr auf unser Ich beschränkt. Wir sind auch im religiösen Leben Individualisten und wollen unsere Seele retten. Wir sitzen in unserem Häuslein und denken an unser Heil. Und dabei ist der Sohn Gottes gekommen und trägt die ganze Welt in seiner Sorge; die Welt läßt ihm keine Ruhe. Wir aber sind zufrieden mit uns, wenn wir als normale anständige Christen unsere kirchlichen Pflichten erfüllen, wie man sagt. Und draußen - da liegen die Trümmerhaufen einer Welt, da warten die Aufgaben, da ruft man nach guten Händen, die anpacken, draußen schreit die Not der Brüder uns bis ins Gewissen hinein! Wie viele Christen gehen sonntags in gewohnter Treue zur Kirche, aber sie tragen keine wahre Verantwortung im Gewissen für die Sache Christi, für die Seelen in der Welt um sie her

Ich fand in einem Bericht über die katholische Arbeit in Indien das Wort eines indischen Studenten, das mich nicht losläßt: "Ich möchte Christus nachfolgen. Aber wenn ich das Leben der Christen betrachte, so scheint es mir besser, Hindu zu bleiben. Ich liebe Christus, aber nicht die Christen. Ohne die Christen würden wir alle Christen werden." Zieht es uns nicht in die Knie, daß wir anfangen zu flehen: Gott möge uns vergeben, daß wir so manchmal Ihm im Wege stehen; wir flehen: Daß Er uns frei mache von aller unchristlichen Enge und uns die Unruhe um das Reich Christi, die rechte Verantwortlichkeit und den Blick für die leibliche und seelische Not der Brüder schenke, damit wir und unser Christenleben glaubwürdig vor der Welt werden

Im Hirtenbrief des zuständigen Bischofs für das Generalvikariat Erfurt, Dr. Joh. Bapt. Dietz (Fulda), lesen wir unter anderem: "Wir alle fragen uns, was die Zukunft wohl mit sich bringen wird. Ja, die ganze Welt hält den Atem an und stellt die gleiche Frage. Die Antwort auf die bange Frage der Menschheit, was die Zukunft bringen mag, kann Gott der Herr allein geben ... Der Gläubige weiß sich in Gottes Hand geborgen, er fühlt über sich den Schutz der Allmacht Gottes ... Wenn der Herrgott, der Herr der Geschichte und Lenker der Weltschicksale, die Angst und die dumpfe Schicksalsstimmung so vieler Christen unserer Zeit sieht, muß Er ähnlich wie über die verzweifelten Apostel beim Sturm auf dem Meer urteilen: ihr kleingläubigen Christen! Ist nicht das Fehlen oder die Schwäche des Glaubens und echter christlicher Hoffnung letzten Endes daran schuld, daß die Welt uns hoffnungslos verloren erscheint und wir mit ihr! Darum laßt uns am Beginn der Fastenzeit, ja jedes Mal, wenn wir das Vaterunser beten, die Erkenntnis des Glaubens verlebendigen, daß über uns kein blindes Schicksal, keine starren Naturgesetze und keine dämonischen Mächte unbarmherzig walten, sondern daß über unserem Leben und dem Schicksal der Welt die Vorsehung Gottes, des Vatergottes, wacht. Seid darum nicht betrübt und verzweifelt wie die anderen, die keine Hoffnung haben."

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 7 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 21.02.1999

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