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Bistum Görlitz

Bischof Müller ruft zum Verzicht auf

Fastenwort

Doch, liebe Brüder und Schwestern, dürfen wir nicht die Augen vor der Tatsache verschließen, daß die Zahl unserer Gläubigen sowie der Priester in den letzten Jahren geringer geworden ist und daß dieser Trend noch andauern wird. Dort, wo kein Seelsorger mehr am Pfarrort wohnt, vermissen die Gläubigen ihren geistlichen Vater und fühlen sich verwaist. Man findet sie manchmal niedergeschlagen und in Angst, daß ihre klein gewordene Seelsorgestelle gar aufgelöst werden könnte. In einer solchen Situation der Mutlosigkeit besteht die Gefahr, daß sich über die kleine Schar der Getreuen eine geistliche Lähmung breitmacht, die sie daran hindert, an ihre große Aufgabe zu denken, "Sauerteig" für die Welt zu sein ..

Liebe Christen, da muß unsere Devise heißen: Nicht Abbruch, sondern Aufbruch! Auch Christus hat nicht große Scharen vor Augen, wenn er zu seinen Jüngern sagt: "Fürchte dich nicht, du kleine Herde! Denn euer Vater hat beschlossen, euch das Reich zu geben" (Lk 12,32). So sollten wir aus der Not eine Tugend machen und uns herausgefordert sehen in unserer manchmal schon recht kritischen Diasporasituation eine Chance zu erblicken. ... Seit einiger Zeit sind wir dabei, für unser Bistum im Blick auf das nächste Jahrzehnt einen Pastoralplan zu entwickeln. Er soll auf die Zukunft hin, wenn die Zahl der Priester noch kleiner wird und auch die Katholiken in einigen Seelsorgestellen noch weniger werden, eine lebendige Pastoral ermöglichen, die dem Gotteslob und den Aufgaben der Kirche in der kommenden Zeit gerecht werden kann. Dieser Plan, liebe Gemeinden, wird nur gelingen, wenn alle, Seelsorger, Pfarrgemeinderäte und Gläubige, bereit sind, sich auf die gegebene Situation einzustellen und mit beherztem Engagement mitzuarbeiten

Wir stehen am Beginn der österlichen Bußzeit. Christus ruft uns zur Nachfolge. Sie bedeutet Opfer und Verzicht, denn "der Jünger steht nicht über seinem Meister" (Lk 6,40). Der Gedanke des notwendigen Verzichts geht zuerst jeden einzelnen an. Aber auch die christliche Familie übt sich in der Fastenzeit im Opferbringen. Könnte es nicht auch zum Vorsatz einer Pfarrgemeinde gehören, wie eine Familie auf all das zu verzichten, was ihrem Zusammenhalt schadet und den Willen zur Kooperation mit anderen Gemeinden behindert? Also etwa darauf verzichten, ständig die eigenen Aktivitäten vor anderen hervorzuheben, so daß schwächere Gemeinden beschämt und mutlos werden. Oder nicht dauernd über irgendwelche Mißstände in der Pfarrei jammern .... Das Schwerste ist wohl für eine Gemeinde, auf Ansprüche zu verzichten, die nicht erfüllbar sind, oder liebgewonnene Gewohnheiten aufzugeben ..

Liebe Christen! "Besinnung und Umkehr!" - lautet der Appell zur Fastenzeit. Auf die Gemeindepastoral bezogen, heißt er: Bereitschaft zu notwendiger Veränderung. ... (Veränderungen) tun weh. Doch nur so bleiben wir lebendig. Nur so wird der Geist Gottes, der auch heute kräftig weht, uns nicht vergeblich treffen. Er wird uns vielmehr beflügeln, den Weg unserer Ortskirche in das nächste Jahrhundert voll Zuversicht mitzugehen. Dies ist ein Wagnis, ja! Aber wir gehören zur Familie Gottes, so dürfen wir der Hilfe des himmlischen Vaters für seine Kinder gewiß sein, wenn wir als kleine Herde uns den großen Aufgaben stellen, zu denen wir von Christus gerufen sind

Bischof Rudolf Müller

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 8 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 28.02.1999

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