Ostdeutsche Bischöfe wollen in Beratung präsent bleiben
Schwangerschaftskonfliktberatung
Leipzig (tdh) - Der Görlitzer Bischof Rudolf Müller favorisiert für die künftige Schwangerschaftskonfliktberatung der katholischen Kirche das Modell des "Beratungs- und Hilfeplans". Gegenüber unserer Zeitung erklärte der Bischof nach Abschluß der Beratungen der Bischofskonferenz in Lingen zu dieser Frage: Er halte den "Beratungs- und Hilfeplan", der "der Kirche ermöglicht in der gesetzlichen Konfliktberatung zu bleiben" für sein Bistum in Bezug auf die besondere Situation in den neuen Bundesländern "für gut und vertretbar". Wie Bischof Müller haben sich auch die Bischöfe Joachim Reinelt (Dresden) und Leo Nowak (Magdeburg) für den "Beratungs- und Hilfeplan" ausgesprochen
Oberstes Ziel der gesamten Bischofskonferenz sei bei den Beratungen die Wahrung der dreifachen kirchlichen Einheit gewesen: "Einheit von Papst und Episkopat, Einheit von Bischof und Gottesvolk, Einheit innerhalb der Gemeinschaft der deutschen Bischöfe". Sollte die Entscheidung des Papstes, "gleich wie sie auch ausfallen möge" nicht akzeptiert werden, "würde das das gesamte Einheitsgefüge zum Einsturz bringen", warnte Bischof Müller. Das Vertrauen des Papstes in die deutschen Bischöfe sei groß, er kenne die verschiedenen Meinungen unter ihnen, wisse aber auch, daß von vielen der Verbleib in der gesetzlichen Beratung favorisiert werde. Bischof Müller zeigte sich zuversichtlich, "daß die Antwort Roms in besonnener Verantwortung erfolgen wird". Wie lange das dauern werde, lasse sich allerdings nicht sagen
"Abtreibung ist Tötung menschlichen Lebens und damit Unrecht. Gleichzeitig nehmen wir die Notsituationen von Frauen sehr ernst", erklärte Bischof Leo Nowak grundsätzlich. Die Kirche müsse sich noch intensiver "mit Wort und Tat für die Mütter in Not einsetzen". "Auch die Zukunft unseres Landes steht und fällt letztlich mit der Bejahung und Ermöglichung menschlichen Lebens." Bischof Nowak: "Sägen wir uns nicht selbst den Ast ab, auf dem wir sitzen." Für den Schutz des menschlichen Lebens könne nicht genug getan werden. Mit Blick auf den Entscheidungsprozeß betonte Bischof Nowak die Bedeutung der "Einheit der Kirche" als "hohes und unverzichtbares Gut". Er verstehe darunter nicht nur die Einheit mit dem Papst, sondern auch unter den Bischöfen und im Bistum. "Die Bischöfe suchen nach einem gemeinsamen Weg. Sture Hartköpfigkeit muß genauso vermieden werden wie fauler Kompromiß". Er hoffe sehr, daß jetzt aus Rom ein positives Signal komme
Bischof Nowak kritisierte "polemische Vorwürfe", die nach den Beratungen in Lingen laut geworden seien. Die Bischöfe hätten verantwortungsvoll nach einer Entscheidung gesucht. Vorwürfe würden jetzt nicht weiterhelfen. Viele Kommentatoren interessiere besonders die Frage, wie die "Bischöfe mit Rom klar kommen". Nicht wenige wünschten anscheinend, "daß es endlich einmal zu einem richtigen Knall kommt". Andere unterstellten den Bischöfen, sie handelten nach dem Prinzip des Eigennutzes, weil die katholische Kirche unter keinen Umständen ihren Einfluß in der Gesellschaft einbüßen wolle. Und eine dritte Gruppe schätze die katholische Kirche "als grundsätzlich weltfremd und frauenfeindlich" ein. Bischof Nowak: "Über solche und ähnliche Vorurteile und Vorwürfe sollten wir sachlich und fair miteinander ins Gespräch kommen"
Bischof Reinelt glaubt, "daß wir in dem schwierigen System, das erhebliche Mängel aufweist, doch dazu beitragen können, Menschenleben zu retten". Von den vier diskutierten Möglichkeiten gehe er mit dem "Beratungs- und Hilfeplan besonders konform". Damit werde nicht mehr der vom Papst kritisierte Schein der bisherigen Art ausgestellt. "Vielmehr geben wir der Frau eine Hilfe an die Hand, so daß sie in den Tagen nach der Beratung sich noch einmal alles durch den Kopf gehen lassen kann." Es gehe darum, eine vom Gesetzgeber eingeräumte Möglichkeit zu nutzen und zugleich zu zeigen: "Wir machen nicht mit und sagen ganz klar nein zur Abtreibung." Zu klären sei noch, "ob durch das Handeln der deutschen Bischöfe eine Verunsicherung der Katholiken in der Welt eingetreten" sei, betonte der Bischof weiter
"Ob der Verbleib oder der Ausstieg aus der gesetzlichen Schwangerschaftskonfliktberatung der richtige Weg ist", werden die deutschen Bischöfe gemeinsam mit dem Papst entscheiden. Das teilte der Erfurter Bischof Joachim Wanke mit. Die Bischofskonferenz habe in der Frage, "ob die Beratung mit einem Bestätigungsschein neuer Art oder auf noch andere Weise weitergehen kann", einen Beschluß gefaßt, der derzeit mit dem Papst abgestimmt und deshalb nicht veröffentlicht werde. Bischof Wanke erinnerte in diesem Zusammenhang aber an die "Ermutigung" des Papstes, "in der Beratung wirkungsvoll präsent zu bleiben". In Kürze - nach der Abstimmung mit Rom - würde die katholische Kirche verkünden, welchen Weg sie künftig einschlagen werde. Dabei sei es wichtig, einerseits ein wirksames Beratungsangebot aufrechterhalten, andererseits aber jede Zweideutigkeit vermeiden, "als ob wir einem Recht auf Abtreibung Vorschub leisten würden", sagte der Erfurter Bischof weiter
Dem Modell des Beratungs- und Hilfeplans stehen auch Caritas-Mitarbeiterinnen in den ostdeutschen Bistümern, die für die Schwangerschaftsberatung zuständig sind, positiv gegenüber. Für Rita Welther (Bistum Erfurt) ist es der "wahrscheinlich einzige Weg, um in der gesetzlichen Beratung zu bleiben und diejenigen Frauen zu erreichen, die unsere Beratung und Hilfe brauchen". Allerdings müßten Einzelheiten noch besprochen werden. Ursula Rohrbach (Bistum Magdeburg) sieht die noch zu klärenden Fragen vor allem darin, was den ratsuchenden Frauen - etwa in finanziellen Fragen - verbindlich zugesagt werden könne
Im Bistum Magdeburg haben nach Angaben von Frau Rohrbach im vorigen Jahr 25 Mütter - "von denen wir es genau wissen" - ihr Kind ausgetragen, obwohl sie abtreiben wollten. Auch die Zahlen aus dem Bistum Erfurt unterstreichen die Bedeutung dieses kirchlichen Dienstes. Die fünf Beratungsstellen sind nach Angaben der Caritas 1997 von 936 Frauen und 1998 von 1120 Frauen aufgesucht worden. Etwa jede vierte Ratsuchende habe sich mit dem Gedanken getragen, die Schwangerschaft abzubrechen. Nach Schätzungen von Rita Welther entscheide sich nach der Konfliktberatung jede dritte bis fünfte Frau für das Kind. Eine andere Zahl aus dem Bistum Erfurt unterstreicht, daß es sich bei diesem kirchlichen Angebot um einen gesellschaftlichen Dienst handelt: Nur etwa jede vierte ratsuchende Frau bezeichnete sich selbst als religiös gebunden.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 07.03.1999