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Bistum Dresden-Meißen

Russischer Streit um Dresdner Kirche

Simeonkirche

Dresden (epd) - Auch über 80 Jahre nach der Oktoberrevolution in Rußland sind die Auseinandersetzungen um kirchenrechtliche Folgen noch nicht zu Ende. Immer wieder haben sich in Deutschland die "Russisch Orthodoxe Kirche im Ausland" und das Moskauer Patriarchat um Kirchengrundstücke gestritten. Der jüngste Fall soll am 3. März vor dem Landgericht in Dresden verhandelt werden. Anlaß ist eine Räumungsklage der Auslandskirche gegen die russisch-orthodoxe Gemeinde in Dresden.

Objekt des Streits ist die 1874 geweihte Kirche des "Heiligen Simeon vom wunderbaren Berge", die die zum Moskauer Patriarchat gehörende Gemeinde seit jeher nutzt. Sollte die nach den Wirren des russischen Bürgerkrieges in der Diaspora gegründete Auslandskirche Recht bekommen, wären die Folgen fatal, findet zumindest Erzpriester Georgi Dawidow, der oberste Geistliche der russisch-orthodoxen Kirche in Dresden. Seine rund 1 000 Mitglieder umfassende Gemeinde stünde ohne Kirche da, während die Kläger dann eine "Kirche ohne Gemeinde" hätten. Denn einen Anschluß der Dresdner Gemeinde an die Auslandskirche lehnt Dawidow kategorisch ab.

Seit Jahrzehnten streiten sich die beiden Kirchen um kirchlichen Besitz in der alten Bundesrepublik, seit der Wende erhebt die Auslandskirche auch in Ostdeutschland Ansprüche. Dabei kann sie sich auf höchstrichterliche Entscheidungen stützen. Der Münchner Erzpriester Nikolai Artemoff verweist auf Urteile des Bundesverfassungsgerichtes und des Bundesgerichtshofes, die beide über Immobilien in der alten Bundesrepublik entscheiden mußten

Danach stellte die Eigentumsübertragung der russisch-orthodoxen Kirchen im Deutschen Reich an die Auslandskirche im Jahr 1938 kein nationalsozialistisches Unrecht dar. Vielmehr sei nach der russischen Revolution und der Errichtung des kommununistischen Herrschaftssystems unklar gewesen, wer eigentlich Eigentümer derjenigen Kirchengrundstücke ist, die einmal "dem untergegangenen Kaiserlich-Russischen Fiskus" gehörten. Hier habe nach Ansicht der Richter "die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung zum Nutzen und Erhalt der Kirchen" bestanden. Doch diese "Notwendigkeit" liegt nach Ansicht des Moskauer Patriarchats im Fall der Dresdner Kirche gar nicht vor. Auch habe der Sakralbau nie dem Zarenhof gehört, sondern der in Dresden ansässigen Simeon-von-Wikulin-Stiftung, unterstreicht das Dresdner Gemeindeoberhaupt. Zudem habe sich seine Gemeinde nachweislich bis zuletzt gegen den Anschluß an die Auslandskirche im Jahr 1939 gewehrt

Doch ebenso einleuchtend wie diese Argumentation ist auch die der Gegenseite. Denn die sowjetische Militäradministration hat nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem Gebiet der späteren DDR zwar eine allgemeine Rückübereignung von Grundstücken an karitative und kirchliche Organisationen verfügt, aber im Fall der Dresdner Kirche nicht dafür gesorgt, daß dies auch im Grundbuch verankert wurde. Dies sei "in den Wirren der Nachkriegszeit" wohl übersehen worden, räumt Dawidow ein. Somit blieb die Auslandskirche auch zu DDR-Zeiten formal Eigentümerin des Bauwerks.

Für die in München residierende Verwaltung der Russisch-Orthodoxen Diözese der Auslandskirche unter Erzbischof Mark ist darum die Rechtslage klar. Ihren Anspruch setzte sie 1991 in drei Instanzen durch. In einer gemeinsamen Erklärung einigte sich Mark im Jahre 1997 mit dem in Berlin residierenden Erzbischof Feofan auf eine Nutzungsvereinbarung für die Kirche. Sie sieht unter anderem eine Übergabe von Schlüsseln des Kirchengebäudes an die Auslandskirche vor. Dies aber sei nie geschehen, heißt es. Und darum gibt es nun vor Gericht ein Wiedersehen.

Der Berliner Priester Michail Rahr kann darüber nur den Kopf schütteln. Seit zwei Jahren gehört der 35jährige dem Moskauer Patriarchat an. Davor war er Mitglied der Auslandskirche. Nach dem "Ende des Kommunismus" und dem Untergang des "atheistischen Staates" sieht er keinen Grund mehr für die einstmals "erzwungene" Spaltung von der Moskauer Mutterkirche. Für ihn ist die Auslandskirche deshalb nur noch eine "Splittergruppe", die zudem von keiner anderen orthodoxen Kirche mehr anerkannt wird.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 9 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 07.03.1999

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