Bischof Wanke und Eichsfelder Jugendliche im Gespräch über die Kirche
Heiligenstadt
Heiligenstadt (leo) - Unter dem Motto "Wind of change - Wohin gehst Du, Kirche" fand im Marcel-Callo-Haus in Heiligenstadt ein Wochenende der Begegnung und des Dialogs zwischen Bischof Joachim Wanke und zahlreichen Jugendlichen statt
"Zunächst tauschten sich die Jugendlichen über ihre Erfahrungen mit der Kirche aus", erläutert Jugendpfarrer Markus Hampel, der das Treffen zwischen Jugendlichen und dem Bischof initiiert hatte. Anschließend wurden die Ergebnisse in Kleingruppen diskutiert und sortiert. Bischof Joachim Wanke stand den Mädchen und Jungen mit ihren vielen Fragen und kritischen Anmerkungen schließlich Rede und Antwort
Besonders interessiert waren die Jugendlichen an den Themen Liturgie, Christsein, Familie sowie Kirche und Soziales. Heiß diskutiert wurden die Fragen der Abtreibung, der Ehescheidung und der Rolle der Frauen in der Kirche. Auch mit der kirchlichen Hierarchie setzten sich die Jugendlichen kritisch auseinander
Dabei versuchte Bischof Wanke, den Jugendlichen Mut für die Zukunft zu machen und Verständnis für manch unpopuläre Entscheidung der Kirche zu wecken. Solche Entscheidungen verhinderten oftmals ein "Wegrutschen in die Beliebigkeit". Zwischen den Geboten der Kirche und den Anforderungen der Realität gebe es oft Spannungsverhältnisse, in denen man nur dem eigenen Gewissen folgen könne, so Bischof Wanke. Das Gewissen sei wie ein Netz, daß im Laufe des Lebens immer engmaschiger und sensibler werden müsse
Bei Ehescheidung und Wiederheirat sowie bei Abtreibung sei es wichtg, die subjektive Seite und damit die individuellen Zwänge zu bedenken, die zu solch einer Entscheidung führten. Die Exkommunikation müsse als Mahnung verstanden werden, das eigene Leben wieder in Ordnung zu bringen. Im Vordergrund müsse dennoch die Seelsorge und die Mitgliedschaft in der Gemeinschaft stehen
Die Frage nach der Rolle von Frauen in der Kirche bezeichnete Wanke als ein "Dilemma für die Kirche". Einziger Grund für die Beibehaltung des Priesteramtes des Mannes sei die 2000jährige Tradition und die kulturelle Prägung der Kirche. Daß Frauen nicht Priester werden dürften, sei nicht antropologisch zu begründen. Auch praktische Hinderungsgründe für ein Priesteramt der Frau gebe es nicht
Eine Änderung dieser Tradi-tion schloß Wanke nicht definitiv aus. Die Kirche werde auch durch ihr gesellschaftliches Umfeld geprägt. Die Emanzipation der Frau wirke insofern auch in die Kirche hinein. Sie sei sich lediglich unsicher, ob sie über eine 2000jährige Tradition verfügen darf. Die Kirche sei wie ein großer Ozeandampfer: "Wer so ein Schiff fährt, kann nicht einfach das Steuer herumreißen." Dennoch sei sie auf der Wanderung. "Sie muß das Gute einer Zeit übernehmen, und das Gute unserer Zeit ist das Wiedererwachen des Selbstbewußtseins der Frau." Frauen dürften in der Kirche nicht beleidigt werden
Viele Jugendliche bemängelten eine zu starke kirchliche Hierarchie und zu wenig Kompetenz der Gläubigen in den Pfarrgemeinden. Bischof Wanke erläuterte, daß die Orientierung auf den Papst ein Auseinanderdriften der Weltkirche verhindere. "Einheit in Vielfalt" sei die Grundkategorie einer solchen Weltkirche. Bei der kirchlichen Hierarchie sei das Prinzip der Subsidiarität wichtig, bei dem es "Unterstützung von oben nur im Notfall" gäbe und Probleme zunächst auf der lokalen Ebene gelöst werden müßten. In diesem Sinne verstehe er auch sein eigenes Amt: Seine bischöfliche Autorität würde er nur im "äußersten Notfall" gebrauchen
Die meisten Jugendlichen waren gekommen, um "ihren" Bischof einmal persönlich zu treffen und ihm ihre eigene Meinung sagen zu können. "Es war gut, dem Bischof zu sagen, was man selber denkt, und zu zeigen, daß sich auch die Jugendlichen Gedanken machen", so Steffen Gremmler aus Heiligenstadt. Matthias Kalkuhl wollte wissen, "wie das weitergeht mit der Kirche, trotz der Krisen und Diskussionen über sie". Beide waren auch an der persönlichen Meinung des Bischofs interessiert
Diese Kontaktfreude war gegenseitig. Der Brückenschlag zu den Jugendlichen bewog Bischof Wanke, sich auf den "heißen Stuhl" zu begeben und sich den kritischen Fragen zu stellen. "Die kritischen Fragen müssen zugelassen werden, weil sie wichtig für die Kirche sind", betonte er. Man dürfe die junge Kirche nicht mit ihren Sorgen und Problemen allein lassen. Er nehme ein positives Bild der Jugendlichen als Zukunft der Kirche von diesem Wochenende mit, freute sich Bischof Wanke
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 07.03.1999