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Aus der Region

Eindrücke aus dem Venedig des Nordens

St. Petersburg

Sankt Petersburg, Petrograd, Leningrad, Venedig des Nordens - diese Namen stehen für eine bewegte Geschichte, die bei einer erst knapp 300jährigen Stadt überrascht. Auch über die Schönheit Petersburgs ist schon viel geschrieben worden und doch konnte niemand den Zauber wiedergeben, der ihn während seines Aufenthalts umfing. Oft wurde er mit der Atmosphäre der Weißen Nächte beschrieben. Andere Besucher glaubten, eine europäische, keine russische Stadt kennengelernt zu haben, da sie von der Elite westlicher Baumeister des 18. Jahrhunderts errichtet wurde und die Kunstsammlungen Werke aus allen Epochen und Ländern Europas beherbergen

Literaturbegeisterte pilgerten zum Grab von Dostojewski und wandelten auf den Spuren anderer großer Söhne der Stadt. Die Kanäle und die ehemaligen Sommerresidenzen der Zaren außerhalb erinnern an Venedig und Versailles. Heute werden diese Aspekte der Stadt wieder betont. Dem Touristen werden keine Revolutionsdenkmäler mehr vorgestellt. Die Vielfalt der Stadt ist wieder problemlos zugänglich und widerspiegelt sich in ihren Sehenswürdigkeiten. Die Eremitage, deren zahlreiche bautechnische Ergänzungen an die Wiener Hofburg erinnern, kann nur einen Teil ihrer drei Millionen Exponate ausstellen. Trotzdem sollte vor der Besichtigung eine Auswahl dessen getroffen werden, was besonders interessiert. Im Sommer ist ein Besuch der Schlösser Peterhof und Pawlowsk zu empfehlen, die für ihre Wasserspiele und die herrlichen Parkanlagen weltberühmt sind. Zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten, die der Tourist besuchen sollte, gehört außerdem das Alexander-Newskij-Kloster mit dem dazugehörigen Friedhof, auf dessen Grabmälern man viele bekannte Namen entziffern kann

Die Kirche der Peter-Pauls-Festung ist die Grabeskirche der russischen Zaren. Erst 1998 wurden die sterblichen Überreste der ermordeten letzten Zarenfamilie beigesetzt und damit der Versuch unternommen, eines der dunklen Ereignisse der russischen Geschichte in Würde zum Abschluß zu bringen. Mit der Ermordung des Zaren wurde Rußland seines kirchlichen Oberhauptes beraubt. Langsam finden die Petersburger wieder zum russisch-orthodoxen Glauben zurück. Auch andere christliche Konfessionen erleben einen Aufschwung. Zar Peter hatte viele Ausländer in die Stadt geholt, deren Nachkommen sich jetzt wieder auf ihre Religion besinnen

In der Stadt gibt es fünf katholische Gemeinden und ein Priesterseminar mit etwa 60 Studierenden. Pfarrer Hartmut Kania gründete die Caritas, in deren Suppenküchen täglich 1000 Portionen ausgegeben werden. Katholische Mutter-Teresa-Schwestern bereiten russische Kinder, aufgenommene Obdachlose und junge, inhaftierte und oft aidskranke Frauen auf die orthodoxe Taufe vor. In St. Petersburg herrscht ein frischer ökumenischer Wind, der an der Basis viel Gutes bewirkt. Denn es leben viele Leute im Schatten der glänzenden Stadt, die - leider nicht nur im positiven Sinn - westeuropäisch-marktorientierte Züge angenommen hat

Dem Reisenden wird auffallen, was sich in den letzten Jahren verbessert hat: Der Newskij-Prospekt ist sauber, und man kann sich an aufgestellten Stadtplänen orientieren. Es trifft wieder zu, was Gogol feststellte: "Es gibt nichts Schöneres als den Newskij-Prospekt, jedenfalls nicht in Petersburg, für Petersburg ist er alles." Restaurants, Bars, Theater und Konzerthallen warten auf Gäste, die Stadt öffnet sich dem Besucher, heißt ihn willkommen und wird ihn nicht enttäuschen

Sophia Manns

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 10 des 49. Jahrgangs (im Jahr 1999).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 14.03.1999

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